Rechtsprechung // Verfahrensrecht
BGH, Beschluss vom 03.04.2014 - I ZB 3/12
Ordnungsmittelandrohung nach Prozessvergleich - Hat sich der Schuldner in einem Prozessvergleich zur Unterlassung verpflichtet, kann der Gläubiger grundsätzlich auch dann einen Antrag auf gerichtliche Androhung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 2 ZPO stellen, wenn eine Vertragsstrafe versprochen wurde.
ZPO § 890 Abs. 2
Leitsätze:*1. Nach § 890 Abs. 2 ZPO muss der Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 Abs. 1 ZPO eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie nicht in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil enthalten ist, auf Antrag vom Prozessgericht des ersten Rechtszuges erlassen wird. Die gerichtliche Androhung soll dem Schuldner die möglichen Folgen eines Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot deutlich vor Augen führen und ihn dadurch anhalten, die Unterlassungspflicht zu befolgen (BGH, Beschluss vom 23.10.2003 - I ZR 45/02 - Euro-Einführungsrabatt; BGH, Beschluss vom 02.02.2012 - I ZB 95/10 - Vergleichsschluss im schriftlichen Verfahren). Eine entsprechende Androhung kann nicht wirksam in den Prozessvergleich selbst aufgenommen werden, sondern hat auf Antrag durch gerichtlichen Beschluss zu erfolgen (BGH, Beschluss vom 02.02.2012 - I ZB 95/10 - Vergleichsschluss im schriftlichen Verfahren, mwN).
2. Die Verwirkung einer Vertragsstrafe und die Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 ZPO schließen sich nicht unter dem Gesichtspunkt der Spezialität aus. Beide Sanktionen regeln unterschiedliche Sachverhalte. Während das Ordnungsgeld im Sinne von § 890 ZPO eine strafähnliche Sanktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbots darstellt, ist die Vertragsstrafe im Sinne von § 339 BGB eine schuldrechtlich vereinbarte Leistung zur Sicherung der Vertragserfüllung und zur Schadenspauschalierung. In der Vollstreckung nach § 890 ZPO kommt es allein auf das Verschulden des Schuldners an, während er im Rahmen des Unterlassungsvertrages gemäß § 278 BGB ohne Entlastungsmöglichkeit auch für seine Erfüllungsgehilfen einzustehen hat. Beide Sanktionen können deshalb grundsätzlich vom Gläubiger nebeneinander geltend gemacht werden
3. Die Parteien eines Rechtsstreits können grundsätzlich vollstreckungsbeschränkende Vereinbarungen treffen (vgl. BGH, Urteil vom 02.04.1991 - VI ZR 241/90; BGH, Beschluss vom 02.02.2012 - I ZB 95/10 - Vergleichsschluss im schriftlichen Verfahren). Da die Bestimmung des § 890 ZPO und ein Vertragsstrafeversprechen zwar jeweils den gemeinsamen Zweck verfolgen, den Schuldner von Zuwiderhandlungen abzuhalten (BGH, Urteil vom 17.09.2009 - I ZR 217/07, MIR 2010, Dok. 055 - Testfundstelle), im Übrigen jedoch unterschiedliche Sachverhalte regeln, können beide Sanktionen nebeneinander durchaus sinnvoll sein und parallel geltend gemacht werden. Es besteht daher regelmäßig kein Anlass anzunehmen, dass die Parteien sich ausschließlich auf die Sanktion der Vertragsstrafe festgelegt haben (vgl. BGH, Urteil vom 05.02.1998 - III ZR 103/97).
4.
a) Hat sich der Schuldner in einem Prozessvergleich zur Unterlassung verpflichtet, kann der Gläubiger grundsätzlich auch dann einen Antrag auf gerichtliche Androhung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 2 ZPO stellen, wenn der Schuldner im Vergleich eine Vertragsstrafe versprochen hat.
b) Die gerichtliche Androhung von Ordnungsmitteln setzt in einem solchen Fall nicht voraus, dass der Unterlassungsschuldner bereits gegen die im Prozessvergleich titulierte Unterlassungspflicht verstoßen hat.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Gramespacher
Online seit: 04.06.2014
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2607
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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