Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
OLG München, Urteil vom 07.11.2013 - 29 U 1883/13
Gold und Silber seit 1843 - Zur Irreführung durch eine Alters- und Traditionswerbung.
UWG § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3
Leitsätze:*1. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 UWG sind geschäftliche Handlungen irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über Eigenschaften eines Unternehmens enthalten.
2. Die Werbung mit dem Alter eines Unternehmens erweckt bei den angesprochenen Verkehrskreisen positive Assoziationen. Dem Unternehmen werden vom Verkehr besondere Erfahrungen auf dem betreffenden Gebiet, wirtschaftliche Leistungskraft, Zuverlässigkeit und Solidität sowie langjährige Wertschätzung innerhalb des Kundenkreises zugesprochen. Damit enthält die Alterswerbung versteckte Qualitätssignale, die geeignet sind, die Kaufentscheidungen angesprochenen Verkehrskreise zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 07.11.2002 - I ZR 276/99 - Klosterbrauerei). Wer sein Unternehmen in der Werbung älter macht, als es in Wirklichkeit ist, verstößt daher grundsätzlich gegen § 5 UWG.
3. Ein neu gegründetes Unternehmen darf auf eine Namenstradition seines Gründers hinweisen, wenn eindeutig zum Ausdruck gebracht wird, dass es sich lediglich um eine Namens- und nicht etwa um eine Geschäftstradition handelt (vgl. BGH, Urteil vom 20.04.1951 - I ZR 103/50 – Graphia). Ob sich eine Altersangabe auf den Firmennamen oder das Unternehmen bezieht, ist Auslegungsfrage. Der Verkehr wird eine Altersangabe regelmäßig auf das Unternehmen beziehen.
4. Für die Beurteilung, ob eine Werbung irreführend ist, kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft (vgl. BGH, Urteil vom 24.09.2013 - I ZR 89/12 - Matratzen Factory Outlet)
5. Die wettbewerbliche Erheblichkeit ist ein dem Irreführungstatbestand immanentes, spezifisches Relevanzerfordernis, das als eigenständige Bagatellschwelle eine zusätzliche Erheblichkeitsprüfung nach § 3 UWG überflüssig macht. Eine geschäftliche Handlung ist nur dann irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen hervorzurufen und die zutreffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 13.06.2012 - I ZR 228/10 - Stadtwerke Wolfsburg).
6. Eine irreführende Alters- und Traditionswerbung ist in der Regel für die Marktentscheidung von Bedeutung. Dabei muss es sich nicht um den ausschlaggebenden Gesichtspunkt handeln. Es reicht aus, wenn der Hinweis auf Alter und Tradition einen positiven Einfluss auf die Kaufentscheidung hat. Auch der verständige Verbraucher kann in seiner Kaufentscheidung maßgeblich durch Erwägungen beeinflusst werden, die sich einer rationalen Überprüfung entziehen. So stellt eine lange Geschäftstätigkeit ein verstecktes Qualitätssignal dar, das positive Assoziationen weckt und die Kaufentscheidung positiv beeinflussen kann (vgl. BGH, Urteil vom 07.11.2002 - I ZR 276/99 - Klosterbrauerei). Dies gilt umso mehr in einem Bereich, der in besonderem Maße Verlässlichkeit und Seriosität erfordert (hier: Edelmetallhande). Stellt ein Hersteller in seiner Werbung ein Merkmal heraus, deutet die von ihm selbst insoweit diesem Merkmale eingeräumte Bedeutung darauf hin, dass dem auch ein korrespondierendes Verbraucherinteresse entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 26.02.2009 - I ZR 219/06, MIR 2009, Dok. 163 - Thermoroll; BGH, Urteil vom 07.11.2002 - I ZR 276/99 - Klosterbrauerei).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Gramespacher
Online seit: 01.02.2014
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2547
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