Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 17.07.2013 - I ZR 222/11
Meisterpräsenz - Werden in einem Geschäftslokal Dienstleistungen angeboten, erwartet der Verkehr nicht unbedingt, dass diese Leistungen sofort bei Erscheinen des Kunden im Geschäftslokal erbracht werden können, sondern eine vorherige Terminvereinbarung notwendig ist.
UWG § 4 Nr. 11, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1; HwO §§ 1, 7, Anlage A Nr. 34
Leitsätze:*1. Ein Unternehmen, dass eine Dienstleistung anbietet, vermittelt dem Werbeadressaten grundsätzlich den Eindruck, dass die Dienstleistung in seinem Geschäftslokal während der Geschäftszeiten den Kunden unmittelbar erbracht werden kann. Die Verfügbarkeit stellt ein wesentliches Merkmal eines Produkts dar, über das gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG keine unwahren oder sonst zur Täuschung geeigneten Angaben gemacht werden dürfen. Soweit es sich bei der angebotenen Dienstleistung um eine Beratungsleistung handelt, muss daher während der Öffnungszeiten des Geschäftslokals grundsätzlich (wenigstens) eine Person dort anwesend oder zumindest unmittelbar erreichbar sein, die dazu befähigt und berechtigt ist, die Dienstleistung zu erbringen. Der Verbraucher, der sich in ein Geschäftslokal begibt, um sich dort beraten zu lassen, rechnet zwar damit, gegebenenfalls warten zu müssen, weil zunächst vor ihm eingetroffene Kunden oder Kunden, die einen Termin vereinbart haben, an der Reihe sind. Dagegen rechnet der Verbraucher grundsätzlich nicht damit, dass seine Beratung an dem betreffenden (Halb-) Tag nur dann möglich ist, wenn die dazu befähigte und befugte Person - nur im Ausnahmefall - vor Ort ist. Allerdings stellt der Verbraucher bei seiner generellen Leistungserwartung auch die Art der von ihm nachgefragten Dienstleistung sowie die Üblichkeiten im Geschäftsverkehr in Rechnung. Insoweit berücksichtigt der Verbraucher insbesondere, dass sich in bestimmten Bereichen und insbesondere dort, wo die Erbringung der Dienstleistung in Form einer Beratung oder Behandlung einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt, häufig die Gewohnheit herausgebildet hat, dass eine solche Beratung oder Behandlung auch dann, wenn das Ladenlokal geöffnet ist, üblicherweise nur nach vorheriger Terminvereinbarung durchgeführt wird.
2.
a) Werden in einem Geschäftslokal Dienstleistungen angeboten, erwartet der Verkehr nicht unbedingt, dass diese Leistungen sofort bei Erscheinen des Kunden im Geschäftslokal erbracht werden können. Vielmehr geht der Verbraucher in vielen Fällen davon aus, dass die angebotene Dienstleistung auch dann, wenn das Geschäftslokal geöffnet ist, nur nach vorheriger Terminvereinbarung erbracht wird.
b) Die Vorschriften der Handwerksordnung stellen, soweit sie eine bestimmte Qualität, Sicherheit oder Unbedenklichkeit der hergestellten Waren oder angebotenen Dienstleistungen gewährleisten sollen, Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar.
c) Es verstößt nicht gegen das Gebot der Meisterpräsenz, wenn ein Hörgeräteakustiker-Meister zwei Betriebe in benachbarten Städten betreut und jeweils einen halben Tag in dem einen und den anderen halben Tag in dem anderen Geschäft anwesend ist. Die Geschäfte dürfen in einem solchen Fall auch in der Zeit der Abwesenheit des Meisters offengehalten werden, um beispielsweise Termine mit in das Ladenlokal kommenden Kunden zu vereinbaren, Ersatz- und Verschleißteile wie etwa Batterien für Hörgeräte abzugeben und ähnliche Leistungen zu erbringen, die nicht notwendig die Anwesenheit eines Meisters erfordern.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 18.08.2013
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2488
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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