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BGH, Urteil vom 10.01.2013 - I ZR 190/11
Standardisierte Mandatsbearbeitung - Einer mangelhaften oder sonst nicht vertragsgemäßen Leistung als solche fehlt die Qualität einer geschäftlichen Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 5a
Leitsätze:*1. Die objektive Eignung eines Verhaltens zur Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers ist bereits für die Annahme einer geschäftlichen Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG relevant. Zwar ist das Kriterium der Beeinflussung der Entscheidung des Verbrauchers nicht schon in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, sondern erst in § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG ausdrücklich angesprochen. Dort geht es jedoch nicht darum, anhand des Begriffs der geschäftlichen Handlung und des daraus entwickelten Merkmals der objektiven Eignung zur Beeinflussung der Entscheidung des Verbrauchers im Sinne einer Förderung des Absatzes oder Bezugs das Lauterkeitsrecht vom allgemeinen Deliktsrecht abzugrenzen. Bei § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG geht es vielmehr um die nachgelagerte Frage, ob eine geschäftliche Handlung die Vebraucherentscheidung spürbar beeinträchtigt und damit eine für die Annahme der Unlauterkeit notwendige Voraussetzung vorliegt.
2. Eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG kann auch in einem Verhalten liegen, dass sich auf die geschäftliche Entscheidung von Verbrauchern im Rahmen eines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses auswirkt (etwa: Vereinbarung eines Gewährleistungsausschlusses: BGH, Urteil vom 31.03.2010 - I ZR 34/08, MIR 2010, Dok. 139 - Gewährleistungsausschluss im Internet; Unternehmer hindert seine Kunden durch sein Verhalten im Rahmen der Vertragsdurchführung daran, zukünftig Dienstleistungen eines Wettbewerbers in Anspruch zu nehmen: BGH, Urteil vom 05.02.2009 - I ZR 119/06 - Änderung der Voreinstelllung II). Dagegen kann eine mangelhafte oder sonst nicht vertragsgemäße Leistung eines Unternehmers als solche zwar vertragliche Rechte des Kunden begründen, stellt aber keinen lauterkeitsrechtlichen Verstoß dar. Die Schlechtleistung ist für sich genommen nicht objektiv darauf gerichtet, den Kunden von der Geltendmachung solcher Rechte abzuhalten. Dies setzt vielmehr grundsätzlich ein gesondert darauf gerichtetes Verhalten voraus.
3.
a) Das Merkmal des "objektiven Zusammenhangs" im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist funktional zu verstehen und setzt voraus, dass die Handlung bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet ist, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern. Deshalb fehlt einer mangelhaften oder sonst nicht vertragsgemäßen Leistung als solche die Qualität einer geschäftlichen Handlung, so dass Schlecht- oder Nichtleistungen eines Unternehmers zwar vertragliche Rechte des Kunden begründen können, aber keinen lauterkeitsrechtlichen Verstoß darstellen.
b) Allerdings kann die Grenze zu einer an § 5 Abs. 1 UWG zu messenden geschäftlichen Handlung dann überschritten sein, wenn der Unternehmer mit dieser auf eine Übervorteilung des Kunden abzielt und von vornherein nicht gewillt ist, sich an seine Ankündigungen zu halten. In diesem Fall dient die Täuschung über die Schlechtleistung dem Abschluss des Vertrages und wird als Mittel im Wettbewerb um Kunden eingesetzt (Fortführung von BGH, GRUR 1987, 180, 181 - Ausschank unter Eichstrich II).
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 15.07.2013
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2476
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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