Rechtsprechung
BGH, vom 07.07.2011 - I ZR 173/09
10% Geburtstags-Rabatt - Irreführende Werbung bei nachträglicher Verlängerung eines zeitlich befristeten Jubiläumsverkaufs.
UWG § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
Leitsätze:*1. Die irreführende Ankündigung einer Sonderverkaufsaktion wie etwa ein Jubiläumsverkauf kann unzulässig sein. Die Ankündigung einer Sonderveranstaltung kann sich insoweit insbesondere als irreführend erweisen, wenn ein für einen befristeten Zeitraum angekündigter Sonderverkauf über die angegebene Zeit hinaus fortgeführt wird (vgl. BGH, Urteil vom 07.07.2011 - I ZR 181/10, MIR 2012, Dok. 002 - Frühlings-Special).
2.
a) Werden in der Werbung für eine Rabattaktion, die ein Unternehmen anlässlich eines Firmenjubiläums ankündigt, feste zeitliche Grenzen angegeben, muss es sich hieran grundsätzlich festhalten lassen. Es kann auch irreführend sein, wenn eine solche Aktion über die angegebene Zeit hinaus fortgeführt wird.
b) Eine irreführende Angabe wird regelmäßig dann vorliegen, wenn das Unternehmen bereits bei Erscheinen der Werbung die Absicht hat, die Rabattaktion zu verlängern, dies aber in der Werbung nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt. Wird die Rabattaktion aufgrund von Umständen verlängert, die nach dem Erscheinen der Werbung eingetreten sind, ist danach zu unterscheiden, ob diese Umstände für das Unternehmen unter Berücksichtigung fachlicher Sorgfalt voraussehbar waren und deshalb bei der Planung der befristeten Aktion und der Gestaltung der ankündigenden Werbung berücksichtigt werden konnten.
c) Der wirtschaftliche Erfolg einer solchen Rabattaktion gehört nicht zu den Gründen, die nach der Verkehrsauffassung eine Verlängerung nahelegen können.
3. Die wettbewerbsrechtliche Erheblichkeit ist ein dem Irreführungstatbestand immanentes, spezifisches Relevanzerfordernis, dass als eigenständige Bagatellschwelle eine zusätzliche Erheblichkeitsprüfung nach § 3 UWG überflüssig macht. Eine Werbung ist nur dann irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über das Angebot hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weis zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 26.02.2009 - I ZR 219/06, MIR 2009, Dok. 163 - Thermoroll).
4. Wird der Zeitraum, in dem ein Rabatt - also ein besonders günstiger Preis - gewährt wird unrichtig angegeben, hat eine insoweit irreführende Preisangabe wegen der Bedeutung des Preises einer Ware für die Kaufentscheidung regelmäßig wettbewerbsrechtliche Relevanz (vgl. dazu: BGH, Urteil vom 20.11.2008 - I ZR 122/06, MIR 2009, Dok. 134 - 20% auf alles). Durch die zeitliche Begrenzung der Gewährung eines herabgesetzten Preises wird der Verbraucher gezwungen, die Kaufentscheidung unter einem zeitlichen Druck vorzunehmen. Ein zeitlicher Druck auf die Kaufentscheidung ist allerdings bereits nach Nr. 7 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ein grundsätzlich wettbewerbsrechtlich relevanter Gesichtspunkt. Zudem erwartet der Verkehr bei einer befristeten Rabattaktion außerhalb des üblichen Geschäftsablaufs besondere Vergünstigungen, durch die er stark angelockt und zum Kauf herausgefordert wird.
Vgl. zu dieser Thematik auch BGH, MIR 2012, Dok. 002 - Frühlings-Special.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 08.01.2012
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2379
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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