Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 09.06.2011 - I ZR 113/10
Zertifizierter Testamentsvollstrecker - Der Verkehr erwartet von einem Rechtsanwalt, der sich als "zertifizierter Testamentsvollstrecker" bezeichnet, dass er nicht nur über besondere Kenntnisse, sondern auch über praktische Erfahrungen auf dem Gebiet der Testamentsvollstreckung verfügt.
UWG § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, §§ 3, 4 Nr. 11; BRAO § 43b; BORA § 6
Leitsätze:*1. Die Führung eines Zertifikats durch einen Rechtsanwalt (hier: Kanzleibriefkopf) begegnet nicht stets wettbewerbsrechtlichen Bedenken. Mit der Einführung der Fachanwaltsbezeichnungen hat der Gesetzgeber keine abschließende Regelung des Werberechts der Rechtsanwaltschaft getroffen (BGH, Urteil vom 16.06.1994 - I ZR 66/92 - Kanzleieröffnungsanzeige). Hinweise auf zusätzliche Qualifizierungen sind dem Rechtsanwalt nicht von vornherein versagt.
2. Der Begriff der Zertifizierung besagt nicht, dass diese von einer amtlichen Stelle vergeben worden ist. Als Zertifizierung wird ein Verfahren bezeichnet, mit dessen Hilfe die Einhaltung bestimmter Anforderungen an Produkte oder Dienstleistungen einschließlich der Herstellungsverfahren nachgewiesen werden kann. Zertifizierungen werden von unabhängigen Stellen vergeben und müssen sich nach festgelegten Standards richten.
3. Der Verkehr erwartet von einem Rechtsanwalt, der sich als "zertifizierter Testamentsvollstrecker" bezeichnet, dass er nicht nur über besondere Kenntnisse, sondern auch über praktische Erfahrungen auf dem
Gebiet der Testamentsvollstreckung verfügt.
4. Die Werbung eines Rechtsanwalts, die gegen § 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UWG verstößt, verlässt den Rahmen berufsrechtlich zulässiger Werbung und verletzt das Sachlichkeitsgebot. Sie ist daher auch gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 43b BRAO unlauter (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2009 - I ZR 77/07 - EKW-Steuerberater).
5. Es bedarf im Allgemeinen keines durch eine Meinungsumfrage untermauerten Sachverständigengutachtens, um dass Verständnis des Verkehrs zu ermitteln, wenn die entscheidenden Richter selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 30.11.2011
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2370
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
AG Bonn, Urteil vom 09.05.2018 - 111 C 136/17, MIR 2018, Dok. 036
Filesharing - Sekundäre Darlegungslast kann die namentliche Benennung des Familienmitglieds umfassen, das die Rechtsverletzung begangen hat
Bundesgerichtshof, MIR 2017, Dok. 015
Sonderzeichen in der Firma - Die der Firma eines Kaufmanns vorangestellten Sonderzeichen // sind nicht zu ihrer Kennzeichnung geeignet
BGH, Beschluss vom 25.01.2022 - II ZB 15/21, MIR 2022, Dok. 030
IVD-Gütesiegel - Zur Irreführung bei der Verwendung und Bezeichnung eines Zeichens als Gütesiegel
BGH, Urteil vom 04.07.2019 - I ZR 161/18, MIR 2020, Dok. 006
Nie wieder keine Ahnung - Zu den Voraussetzungen und der Reichweite des markenrechtlichen Werktitelschutzes (hier Fernsehbeitrag vs. Sachbuch)
BGH, Urteil vom 07.05.2025 - I ZR 143/24, MIR 2025, Dok. 042



