Rechtsprechung
OLG Köln, Beschluss vom 24.03.2011 - 6 W 42/11
Erfolgsaussichten der Verteidigung gegen eine Filesharing-Klage - Zur tatsächlichen Vermutung der Verantwortlichkeit des Internet-Anschlussinhabers für Rechtsverletzungen, zum Bestreiten der ordnungsgemäßen IP-Ermittlung mit Nichtwissen und zur Haftung für Ehegatten beim Filesharing.
UrhG §§ 97 Abs. 1 und 2, 101 Abs. 9; ZPO §§ 138 Abs. 4, 253 Abs. 2 Nr. 2; BGB § 1357
Leitsätze:*1. Die tatsächliche Vermutung, dass der Inhaber eines Internetanschlusses für eine von diesem Anschluss aus begangene Rechtsverletzung verantwortlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2010 - I ZR 121/08, MIR 2010, Dok. 083 - Sommer unseres Lebens), ist entkräftet, wenn die ernsthafte Möglichkeit eines von der Lebenserfahrung - auf die die Vermutung gegründet ist - abweichenden Geschehensablaufs feststeht (hier: der Ehegatte hatte unstreitig ebenfalls Zugriff auf den Internetanschluss und es ist daher ernsthaft möglich, dass dieser das inkriminierte Werk - Computerspiel - im Internet öffentlich zugänglich gemacht hat).
2. Die ordnungsgemäße Ermittlung der IP-Adresse über eine entsprechende Software kann grundsätzlich zulässig mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO bestritten werden. Eines Vortrags bezüglich konkreter Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Ermittlungen der IP-Adresse bedarf es dann nicht (mehr). Dies gilt auch dann, wenn die betreffende Software bereits Gegenstand eines anderen gerichtlichen Verfahrens war und dort nicht beanstandet wurde. Eine Bindung der Parteien an die tatsächlichen Feststellungen aus einem anderen Verfahren besteht nicht. Die Feststellungen in einem Anordnungsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG sind insoweit ebenfalls nicht präjudiziell, was bereits daraus folgt, dass die dortigen Feststellungen in der Regel allein auf den Angaben des betreffenden Rechteinhabers beruhen, während der (angebliche) Verletzer an diesem Verfahren vor Erlass der Gestattungsanordnung nicht beteiligt werden kann.
3. Aufklärungs- und Belehrungspflichten können den Inhaber eines Internetanschlusses auch gegenüber erwachsenen Hausgenossen treffen, denen er die Nutzung des Anschlusses gestattet (mit Verweis auf: OLG Köln, Urteil vom 23.12.2009 - 6 U 101/09, MIR 2010, Dok. 007, OLG Köln, Beschluss vom 09.09.2010 - 6 W 114/10, 6 W 115/10). Bei der (ungeklärten) Frage, ob dies auch für den Ehegatten des Internet-Anschlussinhabers gilt und auch unter Ehegatten gegenseitige Kontrollpflichten anzunehmen sind, ist allerdings zu bedenken, dass ein (ehelicher) Haushalt in der Regel nur über einen einzigen Internetanschluss verfügt, den beide Ehegatten auch dann als gemeinsamen begreifen, wenn nur ein Ehegatte Vertragspartner des Internetproviders ist. Insoweit gelten die Erwägungen, die zur Einordnung des Abschlusses eines Telefondienstvertrages als Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs im Sinne des § 1357 BGB geführt haben entsprechend (vgl. BGH NJW 2004, 1593).
4. Zur Bestimmtheit und Zulässigkeit eines alternativ gefassten Klageantrags mit dem der Beklagte alternativ als Täter und als Störer wegen einer Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen wird.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 29.03.2011
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2311
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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