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Literatur



Rechtsanwalt Dr. Reto Mantz, Dipl.-Inf.

Gottlieb Rafael Wick: Inhalt und Grenzen des Auskunftsanspruchs gegen Zugangsanbieter - Eine Untersuchung des § 101 UrhG unter besonderer Berücksichtigung der Filesharing-Systeme

Bonn: TGRAMEDIA 2010, Schriftenreihe MEDIEN INTERNET und RECHT, 185 Seiten, 34,80 EUR

MIR 2011, Dok. 009, Rz. 1-11


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Der Auskunftsanspruch im Urheberrecht hat in den letzten Jahren Rechtsprechung, Literatur und nicht zuletzt den Gesetzgeber intensiv beschäftigt. Zusätzlich hat der 2008 in Umsetzung der Enforcement-Richtlinie neu geschaffene Auskunftsanspruch nach § 101 UrhG die Diskussion weiter angefacht. Dementsprechend kommt die Dissertation von Wick zur rechten Zeit, um einen Überblick über die Entwicklung zu geben und eine Analyse der Anspruchsmerkmale anzustellen.

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Die Arbeit ist unterteilt in fünf Kapitel. Nach Problemstellung und Gang der Untersuchung (A.) geht Wick einleitend auf die Probleme bei der Durchsetzung von Urheberrechten (B.) ein. Den Kern der Untersuchung bildet die grundlegende Betrachtung von § 101 UrhG (C.). Nach einer Bewertung (insbesondere der Anwendbarkeit) der Haftungsprivilegierungen der §§ 8 und 9 TMG (D.) rundet er die Untersuchung mit einer Schlussbemerkung (E.) ab.

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Im als "Sachliche Grundlegung" bezeichneten ersten Kapitel arbeitet Wick als Anknüpfungspunkt seiner Arbeit zunächst den Einfluss des Filesharings auf die Verwertung insbesondere von Musikwerken heraus. Dabei stellt er die vorliegenden Zahlen in Frage, zweifelt aber dennoch nicht am grundsätzlichen Einfluss der technologischen Veränderungen inklusive des Filesharing auf die Absatzzahlen. Sodann stellt Wick kurz Gang und Ziel der Untersuchung dar.

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Im zweiten Kapitel betrachtet Wick die vor Einführung von § 101 UrhG bestehenden Alternativen zur Auskunftserlangung vom Access Provider. Dabei geht er kurz auf Akteneinsicht nach § 406e StPO, Besichtigungs- und Auskunftsansprüche nach §§ 809, 810 BGB, §§ 13, 13a UKlaG, §§ 428, 142 ZPO, § 101a UrhG a.F. und den allgemeinen Auskunftsanspruch nach §§ 242, 259, 260 BGB ein. Im Rahmen der technischen Grundlagen behandelt Wick speziell IP-Adressen und deren Bedeutung. Er stellt den Aufbau von P2P-Netzwerken dar und arbeitet heraus, dass der Rechtsinhaber aufgrund der technischen Gegebenheiten nur direkt gegen die Netzwerkteilnehmer vorgehen kann, da es bei den heutigen Netzwerken keinen "zentralen" Betreiber mehr gibt. Hierfür sei die Auskunft gegenüber dem Access Provider unabdingbar. Das Kapitel schließt mit einer Einführung in die relevanten urheberrechtlichen Grundlagen.

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Das dritte Kapitel bildet den Kern der Untersuchung, in dem Wick sich näher mit dem Auskunftsanspruch nach § 101 UrhG befasst. Dabei stellt er die Anspruchsmerkmale der Norm eingehend dar. Wick geht dabei kurz auch auf die interessante Frage ein, ob für die Voraussetzung der Rechtsverletzung Werkteile bzw. Teildownloads ausreichen, insbesondere bei komprimierten Archivdateien. Der Problematik ist in der Literatur bisher kaum Aufmerksamkeit geschenkt worden. Eine Rechtsverletzung verneint Wick, wenn der angebotene Werkteil für sich nicht abspielfähig ist.

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Anschließend befasst sich Wick intensiv mit dem Begriff des gewerblichen Ausmaßes, dem umstrittensten Merkmal des § 101 UrhG (siehe nur zuletzt OLG Köln, Beschluss vom 27.12.2010 - 6 W 155/10, MIR 2011, Dok. 001). Dabei stellt Wick die bisherige Rechtsprechung und Literatur bis Mitte 2010 anschaulich dar. Er untersucht und bewertet einzelne relevante Punkte wie u. a. Dateiumfang, Marktanteil, gewerblichen Zweck, Anzahl der zu erwartenden und tatsächlichen Downloads (inklusive Aktualität eines Werks) sowie auch kurz die Kappung der Abmahnkosten nach § 97a Abs. 2 UrhG. Weiter entwickelt Wick einen eigenen Lösungsvorschlag zur Frage der Bewertung des gewerblichen Ausmaßes. Dabei verlangt er, dass zum Umstand des Anbietens eines gesamten Albums oder Films zusätzlich zuvor besprochene Indizien für ein gewerbliches Ausmaß hinzutreten müssen. Je größer dabei die Anzahl der eingestellten Werke, desto geringer seien die übrigen Anforderungen. Darüber hinaus diskutiert Wick den Begriff des "ganzen Musikalbums", den der Gesetzgeber in der Begründung zu § 101 UrhG in die Diskussion eingeführt hat.

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Nach Darstellung der Rechtsfolgen geht Wick auf einen Ausschluss des Auskunftsanspruchs aus Verhältnismäßigkeitserwägungen ein und beschäftigt sich dann mit Schadensersatz und der Geltendmachung im einstweiligen Verfahren nach § 101 Abs. 7 UrhG.

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Weiter betrachtet Wick ein mögliches Verwertungsverbot nach § 101 Abs. 8 UrhG sowie den Richtervorbehalt nach § 101 Abs. 9 UrhG. Nach näherer Diskussion kommt Wick mit der insoweit h. M. zu dem Schluss, dass der Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses berührt ist und es sich um Verkehrsdaten handelt. Daher greife der Richtervorbehalt des § 101 Abs. 9 UrhG.

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Interessant auch vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung und den verschiedenen vorgeschlagenen Modellen (z. B. „Quick Freeze“) sind die Ausführungen von Wick zur "Speicherung auf Zuruf". Nachdem er festgestellt hat, dass der Richtervorbehalt hier nicht greift, da der Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses mangels Offenbarung nicht betroffen sei, untersucht Wick auf welche Anspruchsgrundlage die Speicherung gestützt werden könnte sowie ob und wie sie sich datenschutzrechtlich rechtfertigen ließe. Nach ausführlicher Diskussion kommt Wick zum Ergebnis, dass weder § 101 Abs. 2, 9 UrhG, noch § 100 Abs. 3 TKG oder § 28 BDSG die Speicherung datenschutzrechtlich rechtfertigen können.

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Im nächsten Kapitel behandelt Wick die Haftungsprivilegierungen nach §§ 8, 9 TMG. Zunächst prüft er die Frage, ob §§ 8, 9 TMG auf Access Provider anwendbar sind, was er bejaht. Der Auskunftsanspruch gemäß § 101 UrhG bleibe hiervon aber unberührt. Wick schließt mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick.

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Wick hat ein spannendes Thema mit interessanten technischen Grundgegebenheiten untersucht und hierbei insbesondere eine gute Schwerpunktsetzung gezeigt. Insgesamt handelt es sich um eine lesenswerte und erhellende Darstellung, die die Entwicklung der Rechtsprechung, aber auch mögliche Streitpunkte bzw. Ansätze für künftiges gesetzgeberisches Handeln aufzeigt.



Online seit: 27.01.2011
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2287
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