Rechtsprechung
OLG Köln, Urteil vom 14.10.2009 - 6 U 115/09
Weißbierglas mit Fußball - Zum urheberrechtlichen Schutz eines Weißbierglases als Werk der angewandten Kunst.
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 4, 23 Satz 1, 24 Abs. 1
Leitsätze:*1. Ein Weißbierglas kann als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlichen Schutz genießen (hier: Weißbierglas mit
eingearbeiteter Darstellung eines Fußballes).
2. Ein Erzeugnis des Kunstgewerbes kann als Werk der angewandten Kunst anzusehen sein, wenn es sich als eigentümliche Schöpfung darstellt,
die mit den Darstellungsmitteln der Kunst durch formgebende Tätigkeit hervorgebracht und vorzugsweise für die ästhetische Anregung durch
Betrachtung bestimmt ist (ästhetischer Gehalt). Unbeachtlich ist, ob das Werk neben seinem ästhetischen Zweck auch einem Gebrauchszweck dient.
Der ästhetische Gehalt des Werkes muss indes einen Grad erreichen, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen
einigermaßen vertrauten Kreise von einer künstlerischen Leistung gesprochen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.1973 - Az. I ZR 2/72 - Tierfiguren).
3. Bei Werken die einem Geschmacksmusterschutz zugänglich sind (hier: Weißbierglas), sind höhere Anforderungen an
den für die Qualifizierung als Werk im Sinne von § 2 UrhG erforderlichen schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad zu stellen,
als bei Werken der "reinen" (zweckfreien) Kunst. Soweit sich eine geschmacksmusterschutzfähige Gestaltung bereits von der nicht
geschützten Durchschnittsgestaltung, dem rein Handwerksmäßigen und Alltäglichen abheben muss, ist für die Urheberrechtschutzfähigkeit einer
solchen Gestaltung ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung zu fordern.
4. Nach § 2 UrhG ist nicht die Verwirklichung einer (gestalterischen) Idee an sich, sondern allein deren konkrete Umsetzung
(hier: Integration eines Fußballes als Glaskugel im Fuß eines Weißbierglases) schutzfähig.
5. Werden die künstlerischen Züge eines Werkes, die diesem seine schutzfähige eigenpersönliche Prägung verleihen, nachgeahmt, liegt eine
unzulässige Benutzung vor (§ 23 Satz 1 UrhG). Treten demgegenüber die dem geschützten älteren Werk entlehnten Züge in dem neuen Werk
zurück, so dass die Benutzung des älteren (Ausgangs-) Werks - durch das neue Werk - nur noch als Anregung zu einem neuen selbständigen
Werkschaffen erscheint, ist eine zulässige, freie Benutzung anzunehmen (§ 24 Abs. 1 UrhG).
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 21.02.2010
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2130
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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