Rechtsprechung
OLG Köln, Urteil vom 23.12.2009 - 6 U 101/09
Haftung des Internet-Anschlussinhabers für Rechtsverletzungen Dritter - Den Internet-Anschlussinhaber trifft eine sekundäre Darlegungslast zur Angabe der Person, die nach seiner Kenntnis Rechtsverletzungen über den betreffenden Anschluss begangen haben kann.
UrhG §§ 19a, 85, 97 Abs. 1, 97a; BGB §§ 670, 677, 683
Leitsätze:*1. Den Internet-Anschlussinhaber trifft eine sekundäre Darlegungslast zur Angabe der Person, die nach seiner Kenntnis Rechtsverletzungen
(hier: Urheberrechtsverletzungen über sog. Internet-Tauschbörsen) über den
betreffenden Anschluss begangen haben kann (mit Verweis auf OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 20.12.2007 - Az. 11 W 58/07,
MIR 2008, Dok. 009).
2. Verschließt der Anschlussinhaber bewusst die Augen davor, dass Dritte über seinen Internetanschluss Rechtsverletzungen begehen, kann
dies eine Eigenhaftung des Anschlussinhabers begründen (im Ergebnis offen gelassen).
3. Das bloße, durch die Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern (hier: Jungen im Alter von 10 und 13 Jahren) ausgesprochene Verbot,
an sog. Internet-Tauschbörsen teilzunehmen, genügt nicht, um Rechtsverletzungen durch die Kinder im Rahmen der elterlichen
Kontrollpflichten zu vermeiden. Dies gilt umso mehr, wenn die Kinder mit einer Sanktion des elterlichen Verbots aufgrund der tatsächlichen
Umstände nicht zu rechnen brauchen (hier: die Mutter - Anschlussinhaberin - hatte selbst keine hierfür erforderlichen Computer-Kenntnisse).
4. Elterliche Belehrungs- und Kontrollpflichten gegenüber minderjährigen Kindern im Bezug auf die Nutzung von sog. Internet-Tauschbörsen setzen
nicht erst ein, wenn die Eltern über Rechtsverletzungen unterrichtet werden, die von ihren Kindern begangen worden sind.
5. Werden 964 Musikdateien im MP-3 Format im Internet über sog. Internet-Tauschbörsen zum Download angeboten, kann der Gegenstandswert (hier: je Kläger) mit EUR 50.000,00 zu bemessen sein. Die Bemessung des Gegenstandswerts ist hierbei nicht in mathematischer Abhängigkeit von der Anzahl der in das Netz gestellten Titel vozunehmen sondern unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls.
6. Die Tätigkeit eines entsprechend spezialisierten Rechtsanwalts in einem Abmahnverfahren wegen Urheberrechtsverletzungen über sog. Internet-Tauschbörsen ist regelmäßig weder schwierig noch umfangreich. Dies gilt insbesondere, wenn die Bearbeitung keinen überdurchschnittlichen Aufwand erfordert und weitgehend der Einsatz von Textbausteinen möglich ist. Dem Rechtanwalt steht dann eine den Satz von 1,3 übersteigenden Gebühr aus VV 2300 der Anlage 1 zum RVG nicht zu (wird ausgeführt).
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 13.01.2010
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2106
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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