Rechtsprechung
OLG Köln, Urteil vom 20.03.2009 - 6 U 183/08
3D-Messestände - Zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Computergrafiken.
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 4,5, 7, Abs. 2, §§ 72, 97
Leitsätze:*1. Bei der Beurteilung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Computergrafiken kommt
es nicht entscheidend auf die Einzelschritte der computergestüzten Erstellung sondern auf deren sinnlich wahrnehmbares Ergebnis an.
2. Soweit Computergrafiken grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG als Werke der angewandten Kunst Schutz genießen können,
unterliegt die urheberrechtliche Schutzfähigkeit im Bereich der "Gebrauchskunst" (hier: 3D-Computergrafiken von Messeständen)
höheren Anforderungen als im Bereich der zweckfreien Kunst. Erforderlich ist ein deutliches Überragen einer Durchschnittsgestaltung.
3. Bei Computergrafiken von Gebrauchsgegenständen (hier: 3D-Entwürfen von Messeständen) kann eine individuelle schöpferische Leistung (im Bezug auf das dargestellte Objekt)
dann anzunehmen sein, wenn von den Gestaltungen ohne Rücksicht auf ihren praktischen Zweck eine so starke ästhetische Wirkung ausgeht, das sie über ein
gefälliges und überzeugendes kunstgewerbliches Design hinaus bereits eine künstlerische Individualiät erkennen lassen. Lediglich die Umsetzung der
"typischen Anforderungen" - ohne Erkennbarkeit einer das Durchschnittskönnen eines mit dem Fachgebiet vertrauten Designers überragenden Kreativität -
genügt nicht. Mit Blick auf die grafische Umsetzung der Gestaltung selbst muss über die handwerklich solide und technisch aufwendige, geschickte
Ausnutzung der im Kern bereits von der genutzten Software gebotenen Möglichkeiten hinaus eine im ästhetischen Ergebnis überragende Leistung erkennbar sein.
4. Computergrafiken sind nicht als "ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffene Werke" nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG schutzfähig.
Per Computer erzeugte virtuelle Designbeispiele für in der Realität (noch) nicht existierende Messestände sind keine unter Einsatz strahlender Energie
erstellte selbständige Abbildungen der Wirklichkeit (vgl. dazu: OLG Hamm, Urteil vom 24.08.2004 - Az. 4 U 51/04). Dementsprechend handelt es sich bei
Computergrafiken auch nicht um lichtbildähnliche Erzeugnisse ohne Werkqualität nach § 72 UrhG.
6. Der urheberrechtliche Schutz von Computergrafiken nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG kann dann in Betracht gezogen werden, wenn ihr Zweck eine praktisch-technische
Bildaussage ist, deren grafische Umsetzung unter Auswahl geeigneter Darstellungstechniken eine eigene besondere geistige Leistung
erfordert. Ein solcher Fall liegt nicht vor, wenn es bei den betreffenden Grafiken gerade (nur) um das Design und den gefälligen visuellen Eindruck selbst geht.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 01.12.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2083
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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