Rechtsprechung
LG Köln, Beschluss vom 30.04.2009 - 9 OH 388/09
Gewerbliches Ausmaß und Gewerbsmäßigkeitserfordernis bei (Dritt-) Auskunftsansprüchen - Allein das öffentliche Zugänglichmachen eines urheberrechtlich geschützten Werkes durch sog. "file-sharing" genügt nicht für die Feststellung einer Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß. Zum Erfordernis einer Rechtsverletzung im gewerblichen Ausmaß bei Auskunftsansprüchen nach § 101 Abs. 2 UrhG.
UrhG §§ 19a, 101 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 7, Abs. 9
Leitsätze:*1. Für die Rechtsverletzung im Rahmen des (Dritt-) Auskunftsanspruches nach § 101 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 UrhG ist ein gewerbliches Ausmaß zu fordern. Dies folgt in systematisch-teleologischer Hinsicht aus dem Umstand, dass § 101 Abs. 2 UrhG der Durchsetzung des Anspruchs aus § 101 Abs. 1 UrhG dient und in Anknüpfung an dessen Voraussetzungen den Kreis der zur Auskunft verpflichteten erweitert ("unbeschadet von Abs. 1 auch" - vgl.
auch OLG Köln, Beschluss vom 21.10.2008 - Az. 6 Wx 2/08,
MIR 2008, Dok. 323).
2. Ein "gewerbliches Ausmaß" im Sinne von § 101 Abs. 1 UrhG kann nur eine qualifizierte Rechtsverletzung von erheblicher Bedeutung annehmen.
Das öffentliche Zugänglichmachen eines urheberrechtlich geschützten Werkes durch sog. "file-sharing" genügt für die Feststellung einer Rechtsverletzung
in gewerblichem Ausmaß allein noch nicht.
3. Offensichtlich im Sinne von § 101 Abs. 2, Abs. 7 UrhG ist einen Rechtsverletzung dann, wenn eine ungerechtfertigte Belastung des Dritten ausgeschlossen
erscheint, wobei Zweifel in tatsächlicher, aber auch in rechtlicher Hinsicht die Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung ausschließen. Eine Auskunft bzw.
deren Gestattung nach § 101 Abs. 9 UrhG ist aber auch dann ausgeschlossen, wenn Zweifel an dem Vorliegen einer Rechtsverletzung "im gewerblichen Ausmaß" bestehen.
Der mit dem Merkmal der "Offensichtlichkeit" bezweckte Schutz etwa der hinter einer IP-Adresse stehenden Person
(OLG Köln, Beschluss vom 21.10.2008 - Az. 6 Wx 2/08, MIR 2008, Dok. 323)
verlangt auch eine eindeutige Feststellung einer, insoweit von § 101 Abs. 1 UrhG geforderten, qualifizierten Rechtsverletzung.
4. Ob eine Rechtsverletzung ein "gewerblichen Ausmaß" erreicht, ist anhand einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Als Indizien können
insoweit die Nähe der Rechtsverletzung zum Veröffentlichungszeitpunkt des Werkes in Deutschland, dessen Umfang und kommerzieller Erfolg wie auch die Anzahl weiterer
belegter Rechtsverletzungen herangezogen werden (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 09.02.2009 - Az. 6 W 182/08,
MIR 2009, Dok. 061).
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 09.09.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2020
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
BGH, Beschluss vom 21.12.2023 - I ZB 42/23, MIR 2024, Dok. 022
Ordnungsmittelantrag gegen GmbH-Geschäftsführer - Ist allein das Organ einer juristischen Person Titelschuldner, sind etwaige Ordnungsmittel (allein) gegen das Organ festzusetzen
BGH, Beschluss vom 18.04.2024 - I ZB 55/23, MIR 2024, Dok. 047
Grenzen bei der Berücksichtigung gerichtsbekannter Tatsachen - Der Umstand, dass eine Tatsache gerichtsbekannt ist, ersetzt regelmäßig nicht den entsprechenden Parteivortrag, sondern nur die Beweisbedürftigkeit
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 09.06.2022 - 6 U 134/21, MIR 2022, Dok. 052
Medizinisches Cannabis - Werbung eines Vermittlungsportals für ärztliche Behandlungen untersagt
Oberlandesgericht Frankfurt a.M., MIR 2025, Dok. 020
Stoffmaske als Medizinprodukt? - Großhändler muss beim Vertrieb einer bedruckten "Alltagsmaske" in Form einer "textilen Mund-Nasen-Bedeckung" nicht klarstellen, dass es sich nicht um ein Medizinprodukt handelt
Oberlandesgericht Hamm, MIR 2020, Dok. 097