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Kurz notiert



Bundesgerichtshof

spickmich.de - Lehrerbewertungen im Internet mit Namensnennung sind grundsätzlich zulässig, wenn keine schutzwürdigen Interessen der Betroffenen entgegenstehen. Die Meinungsfreiheit umfasst insoweit auch anonyme Bewertungen.

BGH, Urteil vom 23.06.2009 – Az. VI ZR 196/08; Vorinstanzen: LG Köln, Urteil vom 30.01.2008 - Az. 28 O 319/07, MIR 2008, Dok. 060; OLG Köln, Urteil vom 03.07.2008 – Az. 15 U 43/08, MIR 2008, Dok. 200

MIR 2009, Dok. 138, Rz. 1


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Zur Sache

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit von "Lehrerbewertungen mit Namensnennung im Internet. Die Klägerin ist Lehrerin und wurde durch Schüler auf der Internetplattform www.spickmich.de bewertet und benotet. Die Beklagte ist die Betreiberin von www.spickmich.de. Zugang zu dem Portal haben nur registrierte Nutzer. Hierbei erfolgt die Registrierung nach Eingabe des Namens der Schule, des Schulortes, eines Benutzernamens und einer E-Mail-Adresse, an die das Zugangspasswort versandt wird.

Die mit den Schulnoten 1 bis 6 abzugebenden Bewertungen sind an vorgegebene Kriterien gebunden wie etwa "cool und witzig", "beliebt", "motiviert", "menschlich", "gelassen" und "guter Unterricht". Ein eigener Textbeitrag des Bewertenden ist nicht möglich. Aus dem Durchschnitt der anonym abgegebenen Bewertungen wird eine Gesamtnote errechnet. Die Nutzer können außerdem auf einer Zitatseite angebliche Zitate der bewerteten Lehrer einstellen. Die Klägerin, deren Name und Funktion auch der Homepage der Schule, an der sie unterrichtet, entnommen werden kann, erhielt für das Unterrichtsfach Deutsch eine Gesamtbewertung von 4,3. Ihr zugeschriebene Zitate wurden bisher nicht eingestellt. Mit der Klage verfolgt die Klägerin einen Anspruch auf Löschung bzw. Unterlassung der Veröffentlichung ihres Namens, des Namens der Schule, der unterrichteten Fächer im Zusammenhang mit einer Gesamt- und Einzelbewertung und der Zitat- und Zeugnisseite auf der Homepage www.spickmich.de. Sie blieb in den Vorinstanzen erfolglos.

Entscheidung des BGH: Erhebung, Speicherung und Übermittlung der Daten trotz der fehlenden Einwilligung der Klägerin im konkreten Fall zulässig. Keine schutzwürdigen Interessen der betroffenen Lehrerin.

Der Bundesgerichtshof wies die Revision der Klägerin mit Urteil vom 23.06.2009 (Az. VI ZR 196/08, Veröffentlichung in MIR folgt) zurück. Im konkreten Fall sei die Erhebung, Speicherung und Übermittlung der Daten trotz der fehlenden Einwilligung der Klägerin zulässig.

Auch Meinungsäußerungen und Beurteilungen mit Bezug zu bestimmten oder bestimmbaren Personen sind von dem Begriff der personenbezogene Daten erfasst

Zwar umfasse der Begriff der personenbezogenen Daten nicht nur klassische Daten wie etwa den Namen oder den Geburtsort, sondern auch Meinungsäußerungen und Beurteilungen, die sich auf einen bestimmten oder bestimmbaren Betroffenen beziehen. Für die Erhebung, Speicherung und Übermittlung solcher Daten in automatisierten Verfahren gelten grundsätzlich die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes.

Keine schutzwürdigen Interessen der betroffenen Lehrerin - Erhebung und Speicherung von Daten hier nach § 29 BDSG zulässig

Die Erhebung und Speicherung von Daten zur Übermittlung an Dritte ist ohne Einwilligung des Betroffenen nach § 29 BDSG unter anderem dann zulässig, wenn ein Grund zu der Annahme eines schutzwürdigen Interesses an dem Ausschluss der Datenerhebung und –speicherung nicht gegeben ist. Dies sei hier der Fall. Ein entgegenstehendes Interesse der Klägerin sei nach Abwägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung einerseits und des Rechts auf freien Meinungsaustausch andererseits nicht gegeben.

Unterschiedliches Schutzniveau: Bei Meinungsäußerungen über die berufliche Tätigkeit genießt der Einzelne nicht den gleichen Schutz wie bei Äußerungen betreffend der Privatsphäre

Hier stellten die Bewertungen Meinungsäußerungen dar, die die berufliche Tätigkeit der Klägerin betreffen. Bei solchen Meinungsäußerungen genieße der Einzelne aber grundsätzlich nicht den gleichen Schutz wie in der Privatsphäre, so der BGH. Konkrete Beeinträchtigungen habe die Klägerin darüber hinaus nicht geltend gemacht. Die Äußerungen seien weder schmähend noch der Form nach beleidigend.

Die anonyme Abgabe der Bewertungen schadet nicht - Die Meinungsfreiheit ist nicht an ein bestimmtes Indiviuum gebunden

Dass die Bewertungen auch dem internetportal anonym abgegeben wurden, mache sie nicht unzulässig. Das Recht auf Meinungsfreiheit sei nicht an die Zuordnung der Äußerung an ein bestimmtes Individuum gebunden. Die Meinungsfreiheit umfasse grundsätzlich auch das Recht des Äußernden, das Verbreitungsmedium frei zu bestimmen.

Übermittlung der personenbezogenen Daten an die Nutzer zulässig

Auch die Zulässigkeit der Übermittlung der Daten an den Nutzer könne nur aufgrund einer Gesamtabwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Betroffenen und dem Recht auf Kommunikationsfreiheit im Einzelfall beurteilt werden. Im Streitfall sei im Hinblick auf die geringe Aussagekraft und Eingriffsqualität der Daten und die Zugangsbeschränkungen zum Portal die Datenübermittlung nicht von vornherein unzulässig. Entgegenstehende besondere Umstände habe die Klägerin nicht vorgetragen.

(tg) - Quelle: PM Nr. 137/2009 des BGH vom 23.06.2009

Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 23.06.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1979
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