Kurz notiert
Landgericht München I
Gerüchteküche im privilegierten Kreis - Äußerungen innerhalb besonders geschützter Sphären sind nicht rechtswidrig und unterliegen keinen Unterlassungsansprüchen.
LG München I, Urteil vom 28.04.2009 - Az. 3 O 3253/09, nrk
MIR 2009, Dok. 097, Rz. 1
1
Äußerungen innerhalb besonders geschützter (Vertrauens-) Sphären sind grundsätzlich nicht rechtswidrig und unterliegen keinen Unterlassungsansprüchen.
Eine solche geschützte Sphäre kann auch dann anzunehmen sein, wenn unter ausgewählten Mitgliedern einer Körperschaft "Gerüchte"
über Dritte (hier: Untreueverdacht) ausgetauscht, nicht aber nach außen getragen werden.
Dies entschied das LG München I mit Urteil vom 28.04.2009 (Az. 3 O 3253/09).
Zur Sache
Die ehemalige Leiterin der KZ-Gedenkstätte in Dachau nahm einen Historiker und Publizisten, der zudem Vorstandsmitglied der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern ist, vor dem Landgericht München I auf Unterlassung einer Behauptung in Anspruch.
Mit Email vom 27.12.2008 wandte sich der Antragsgegner an Frau P., die Leiterin des Kulturzentrums der Israelitischen Kultusgemeinde, und berichtete von ihm zugetragenen Gerüchten, wonach die Antragstellerin Gelder ihrer früheren Arbeitsstätte veruntreut hätte. Dies sei ihm aus mehreren zuverlässigen Quellen in den letzten Wochen zugetragen worden. Die Email sandte der Antragsgegner zur Kenntnisnahme auch an weitere Personen aus dem von ihm in der Israelitischen Kultusgemeinde betreuten Kulturbereich.
Während die Antragstellerin behauptete, der Antragsgegner habe die Gerüchte selbst erfunden, um sie zu diffamieren und um verhindern, dass sie in die Israelitische Kultusgemeinde zu einer geplanten Veranstaltung eingeladen würde, behauptete der Antragsgegner er habe die Gerüchte nicht selbst erfunden. Diese seien ihm vielmehr aus zuverlässigen Quellen zugetragen worden. Es habe sich um eine Äußerung in einem privilegierten Kreis gehandelt. Derartige Äußerungen unterlägen keinem Unterlassungsanspruch. Zudem liege kein Verfügungsgrund vor.
Entscheidung des Gerichts: Äußerungen innerhalb besonders geschützter Sphären sind grundsätzlich nicht rechtswidrig und unterliegen keinen Unterlassungsansprüchen.
Mit Urteil vom 28.04.2009 wies das Landgericht München I den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Die Kammer konnte sich bereits nicht vom Vorliegen eines Verfügungsgrundes überzeugen.
Nach Auffassung des Gerichts fehlte es aber auch an einem Verfügungsanspruch. Den Ausführungen der Kammer ist insoweit zu entnehmen:
"... Äußerungen innerhalb besonders geschützter Sphären sind nicht rechtswidrig und unterliegen grundsätzlich keinen Unterlassungsansprüchen. Dem Einzelnen steht insoweit ein geschützter Freiraum zu. Um eine derartige Äußerung des Antragsgegners in einer besonders geschützten Sphäre handelt es sich vorliegend. Der Antragsgegner hat die Äußerung nur an Mitglieder des Kulturkreises der Israelitischen Kultusgemeinde gerichtet. Nach § 1 Ziffer e der vom Antragsgegner vorgelegten Geschäftsordnung der Israelitischen Kultusgemeinde unterliegen die Mitglieder des Vorstands einer Verschwiegenheitspflicht gegenüber jedermann. Der Antragsgegner durfte sich deshalb darauf verlassen, dass die von ihm mitgeteilten Gerüchte nicht nach außen getragen werden, mit Ausnahme an die Antragstellerin, deren Einbeziehung er ausdrücklich wünschte. Zur Klärung des Wahrheitsgehalts der Gerüchte war das Vorgehen des Antragsgegners auch angemessen und bezog die Antragstellerin mit ein."
(tg) - Quelle: PM des LG München I Nr. 22/09 vom 28.04.2009
Zur Sache
Die ehemalige Leiterin der KZ-Gedenkstätte in Dachau nahm einen Historiker und Publizisten, der zudem Vorstandsmitglied der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern ist, vor dem Landgericht München I auf Unterlassung einer Behauptung in Anspruch.
Mit Email vom 27.12.2008 wandte sich der Antragsgegner an Frau P., die Leiterin des Kulturzentrums der Israelitischen Kultusgemeinde, und berichtete von ihm zugetragenen Gerüchten, wonach die Antragstellerin Gelder ihrer früheren Arbeitsstätte veruntreut hätte. Dies sei ihm aus mehreren zuverlässigen Quellen in den letzten Wochen zugetragen worden. Die Email sandte der Antragsgegner zur Kenntnisnahme auch an weitere Personen aus dem von ihm in der Israelitischen Kultusgemeinde betreuten Kulturbereich.
Während die Antragstellerin behauptete, der Antragsgegner habe die Gerüchte selbst erfunden, um sie zu diffamieren und um verhindern, dass sie in die Israelitische Kultusgemeinde zu einer geplanten Veranstaltung eingeladen würde, behauptete der Antragsgegner er habe die Gerüchte nicht selbst erfunden. Diese seien ihm vielmehr aus zuverlässigen Quellen zugetragen worden. Es habe sich um eine Äußerung in einem privilegierten Kreis gehandelt. Derartige Äußerungen unterlägen keinem Unterlassungsanspruch. Zudem liege kein Verfügungsgrund vor.
Entscheidung des Gerichts: Äußerungen innerhalb besonders geschützter Sphären sind grundsätzlich nicht rechtswidrig und unterliegen keinen Unterlassungsansprüchen.
Mit Urteil vom 28.04.2009 wies das Landgericht München I den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Die Kammer konnte sich bereits nicht vom Vorliegen eines Verfügungsgrundes überzeugen.
Nach Auffassung des Gerichts fehlte es aber auch an einem Verfügungsanspruch. Den Ausführungen der Kammer ist insoweit zu entnehmen:
"... Äußerungen innerhalb besonders geschützter Sphären sind nicht rechtswidrig und unterliegen grundsätzlich keinen Unterlassungsansprüchen. Dem Einzelnen steht insoweit ein geschützter Freiraum zu. Um eine derartige Äußerung des Antragsgegners in einer besonders geschützten Sphäre handelt es sich vorliegend. Der Antragsgegner hat die Äußerung nur an Mitglieder des Kulturkreises der Israelitischen Kultusgemeinde gerichtet. Nach § 1 Ziffer e der vom Antragsgegner vorgelegten Geschäftsordnung der Israelitischen Kultusgemeinde unterliegen die Mitglieder des Vorstands einer Verschwiegenheitspflicht gegenüber jedermann. Der Antragsgegner durfte sich deshalb darauf verlassen, dass die von ihm mitgeteilten Gerüchte nicht nach außen getragen werden, mit Ausnahme an die Antragstellerin, deren Einbeziehung er ausdrücklich wünschte. Zur Klärung des Wahrheitsgehalts der Gerüchte war das Vorgehen des Antragsgegners auch angemessen und bezog die Antragstellerin mit ein."
(tg) - Quelle: PM des LG München I Nr. 22/09 vom 28.04.2009
Online seit: 29.04.2009
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