Rechtsprechung
OLG Hamm, Urteil vom 17.02.2009 - 4 U 190/08
Telefonwerbung gegenüber Gewerbetreibenden - Auch im Fall eines sachlichen Zusammenhangs mit einer bestehenden Geschäftsverbindung ist bei der Telefonwerbung gegenüber Gewerbetreibenden nicht ohne weiteres von einer mutmaßlichen Einwilligung auszugehen. Die Umstände vor dem Anruf sowie Art und Inhalt der Werbung müssen die mutmaßliche Einwilligung nahe legen.
UWG §§ 3, 7 Abs. 2 Nr. 2, § 8 Abs. 1
Leitsätze:*1. Eine unzumutbare Belästigung nach § 7 Abs. 2 Nr. 2, 2. Fall UWG liegt vor, wenn mit Telefonanrufen gegenüber Gewerbetreibenden geworben wird,
mit denen diese nicht zumindest mutmaßlich einverstanden sind.
2. Von einer mutmaßlichen Einwilligung in Telefonwerbung ist auszugehen, wenn die Umstände vor dem Anruf sowie Art und Inhalt der Werbung eine
solche nahe legen. Auch im Fall eines sachlichen Zusammenhangs mit einer bestehenden Geschäftsverbindung ist hierbei zu prüfen, ob der Werbende
bei verständiger Würdigung aller ihm bekannten Umstände vor dem Anruf ein Einverständnis des anzurufenden Geschäftspartners annehmen konnte
(vgl. BGH, Urteil vom 20.09.2007 - Az. I ZR 88/05 - Suchmaschineneintrag, MIR 2007, Dok. 430),
welches gerade auch die telefonische Werbung umfasst (BGH GRUR 1991, 764 - Telefonwerbung IV).
3. Die Telefonwerbung muss den Interessen des Angerufen in einem solchen Maß entsprechen, dass die mit dem Anruf verbundene Belästigung hinnehmbar erscheint
(BGH WRP 2004, 603 - Telefonwerbung für Zusatzeintrag). Ein geringes Maß an Belästigung kann insoweit anzunehmen sein, wenn die Werbemaßnahme mit
der bestehenden Geschäftsbeziehung eine eng zusammenhängende Leistung darstellt und in Zusammenhang mit einem ohnehin zur Abstimmung erforderlichen
Telefonanruf erfolgt (so: BGH WRP 2004, 603 - Telefonwerbung für Zusatzeintrag). Demgegenüber kann sich ein Werbeanruf im Fall einer nur schwachen Geschäftsbeziehung
zum Angerufenen aufgrund der Nachahmungsgefahr als unzulässig, da unzumutbar belästigend darstellen
(so: BGH, Urteil vom 20.09.2007 - Az. I ZR 88/05 - Suchmaschineneintrag, MIR 2007, Dok. 430).
4. Ein allgemeiner Sachbezug und ein theoretisches allgemeines Interesse des Angerufenen (hier: für einen DSL Anschluss und eine Flatrate als weitere Dienstleistung der Telekom)
reichen für die Annahme eines mutmaßlichen Einverständnisses in Telefonwerbung nicht aus. Dies gilt besonders, wenn ein telefonisches Angebot gegenüber
einem schriftlichen eher Nachteile für den Angerufenen mit sich bringt (aufgedrängter Zeitpunkt der Ansprache, Komplexität und Vielfältigkeit der Angebote, keine besondere
Eile der Information; hier: Tarifstrukturen im Bereich Telekommunikationstarife) und der Anruf mit unterdrückter Rufnummer erfolgt.
5. Liegt eine unzulässige Telefonwerbung vor, bedarf es keiner gesonderten Prüfung ob die darin liegende Beeinträchtigung des Wettbewerbs spürbar im Sinne von
§ 3 Abs. 2 UWG n.F. ist. Die unzulässige geschäftliche Handlung beeinträchtigt den Wettbewerb in jedem Fall spürbar.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 27.03.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1913
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