Rechtsprechung
AG Winsen a.d. Luhe
Urteil vom 6.06.2005 - Az: 23 C 155/05 - (§ 11 TDG - Haftung des Forenbetreibers für die verspätete Entfernung rechtwidriger Inhalte)
Leitsätze (tg):
1. Der Betreiber eines Internetforums hat dafür Sorge zu tragen, dass rechtswidrige Inhalt und beleidigende Äußerungen gegenüber Dritten aus dem Forum entfernt werden.
2. Ein, einem Polizeifoto entsprechendes, per Fotomontage hergestelltes Abbild des Betroffenen (Klägers) stellt eine schwer wiegende Beleidigung dar.
3. Der sich aus dem verspäteten Entfernen des Fotos ergebende Schaden ist durch den Forenbetreiber zu ersetzen.
4. Den Forenbetreiber kann seine Einlassung, dass er nur aufgrund Abwesenheit die rechtswidrigen Inhalte nicht unverzüglich habe entfernen können nicht entlasten.
MIR 2005, Dok. 003, Rz. 1-7
Entscheidung vom 6. Juni 2005
In dem Rechtsstreit des […]
Antragsteller gegen […] Antragsgegner
hat das Amtsgericht Winsen/Luhe am 6.6.2005 durch den Richter am Amtsgericht ... beschlossen:
I. Es wird festgestellt, dass der Beschluss vom 01.02.2005 wirkungslos ist. II. Der Beklagte trägt die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers. III. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten. IV. Der Streitwert auf 1250,-- festgesetzt.
Am Abend des 27.01.2005 hat ein User ein Foto in das Forum eingestellt. Dieses Foto stellt ein Polizeifoto eines Kriminellen dar. Auf diesem Foto ist jedoch der Kopf des Klägers montiert worden.
Mit E-Mail vom 30.01.2005, 14:43h, forderte der Kläger den Beklagten auf, das Foto bis zum 31.01.2005, 15:00h, zu entfernen. Der Beklagte tat dies jedoch zunächst nicht. Mit Schriftsatz vom 31.01.2005, eingegangen bei Gericht am 01.02.2005, beantragte der Kläger den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Die einstweilige Verfügung erging durch Beschluss vom 01.02.2005.
Mit GMX-Fax vom 02.02.2005, 12.18h, an das Amtsgericht Winsen/Luhe nahm der Kläger den Antrag vom 31.01.2005 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Zur Begründung führte er aus, dass der Antragsgegner das Bild in der Zwischenzeit gelöscht habe. Das Fax trägt keine Unterschrift. Mit Schriftsatz vom 03.02.2005 stellte der Kläger klar, dass die Klagerücknahme vom 02.02.2005 gegenstandslos sein sollte.
Der Kläger ließ dem Beklagten die einstweilige Verfügung am 05.02.2005 zustellen. Der Beklagte beauftragte einen Rechtsanwalt, der Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung einlegte.
Der Kläger hat hilfsweise beantragt, gemäß § 269 Abs. 3 ZPO dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Der Beklagte hat beantragt, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen und festzustellen, dass der Beschluss vom 01.02.2005 unwirksam ist. Gemäß § 269 Abs. 3, Abs. 4 ZPO war festzustellen, dass der Beschluss vom 01.02.2005 unwirksam ist. Der Kläger hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch sein Schreiben vom 02.02.2005 zurückgenommen. In diesem Schreiben wird ausdrücklich die Rücknahme des Antrages erklärt. Der Antrag ist auch ohne ausdrückliche Unterschrift des Klägers wirksam. Die Klagerücknahme war vom Kläger gewollt und seine Identität ist eindeutig festgestellt. Das Gericht schließt sich zur Begründung der Entscheidung der Gründe der Entscheidung des gemeinsamen Senats vom 05.05.2000 (GmS-OGB v. 5.4.2000 - GmS OGB 1/98, MDR 2000, 1089 m. Anm. Liwinska = CR 2000, 578) an.
Gemäß § 269 Abs. 3 ZPO ist über die Kosten nach Klagerücknahme vor Rechtsanhängigkeit aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden.
vgl. auch zu diesem Urteil: Gramespacher, JurPC Web Dok. 122/2005 Abs.1-11
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 30.11.2005
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/189
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