Rechtsprechung
LG Berlin, Urteil vom 14.11.2008 - 15 O 120/08
Keine Haftung des Online-Buchhändlers für urheberrechtsverletzende Bücher - Ein Buchhändler haftet grundsätzlich nicht als Täter und/oder Teilnehmer für Urheberrechtsverletzungen von Autoren vertriebener Bücher. Eine Störerhaftung kommt nur für den Fall der Verletzung von Prüfungspflichten in Betracht.
UrhG §§ 17 Abs. 1, 97 Abs. 1
Leitsätze:*1. Da ein Buchhändler im Regelfall keinen Einfluss auf den Inhalt eines Buches nimmt, kann ihm eine darin liegenden Urheberrechtsverletzung
- des Autors - grundsätzlich nicht als Täter zugerechnet werden. Hinsichtlich von Buchinhalten fehlt dem Buchhändler regelmäßig die für eine
Tatherrschaft notwendige Steuerungs- und Kontrollmöglichkeit (vgl. zur Verantwortlichkeit eines Presseverlags für Werbeanzeigen: BGH NJW 1999, 1960 - Möbelklassiker;
KG ZUM-RD 2005, 127; zur Haftung eines Presse-Großhändlers für persönlichkeitsverletzende Inhalte einer vertriebenen Zeitschrift: OLG Frankfurt ZUM-RD 2008, 128).
2. Allein die objektive Verwirklichung des Verbreitungstatbestandes i.S.v. § 17 Abs. 1 UrhG genügt nicht, um Täter einer Urheberrechtsverletzung zu sein. Erforderlich
sind die objektive Tatherrschaft und/oder ein Täterwille. Die Qualifikation eines an der Tatbestandsverwirklichung Mitwirkenden entweder als Täter oder als
Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe) oder lediglich als Störer ist ein normativer Bewertungsvorgang.
3. In der Regel besitzt ein Buchhändler keine Möglichkeit die Vielzahl der angebotenen Bücher auf Urheberrechtsverletzungen hin zu prüfen.
Eine solche Verpflichtung würde eine Überspannung der ihn treffenden Verkehrs- oder Prüfungspflichten darstellen. Eine objektive Verhinderungsmöglichkeit
für Urheberrechtsverletzungen ist dem Buchhändler nicht gegeben, mit der Folge, dass schon deswegen eine Tatherrschaft nicht angenommen werden kann. Dies gilt
regelmäßig auch dann, wenn der betreffende Buchhändler kein so genannter Vollsortimenter ist.
4. Ein Buchhändler haftet nur dann als Störer für Urheberrechtsverletzungen von Autoren vertriebener Bücher, wenn er Prüfungspflichten verletzt.
Diese setzen allerdings erst dann ein, wenn ihm hinreichend konkrete Anhaltspunkte zu Kenntnis gelangt sind, die den Schluss auf eine -
deutlich erkennbare - Urheberrechtsverletzung nahe legen. Eine Prüfungspflicht ist insoweit erst dann anzunehmen, wenn dem Buchhändler greifbare und konkrete Anhaltspunkte entweder
durch einen Hinweis übermittelt oder in der einschlägigen Branchenpresse - deren Verfolgung dem Buchhändler auch zumutbar ist - veröffentlicht werden.
5. Stellt ein Buchhändler den Vertrieb eines Buches mit urheberrechtswidrigen Inhalten unverzüglich nach Kenntniserlangung (hier: durch eine Abmahnung) ein,
fehlt es regelmäßig an der für einen Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr sowie an einer Erstbegehungsgefahr, wenn keine Anhaltspunkte für eine
künftig ernsthaft drohende Verletzungshandlung zu erkennen sind.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 25.02.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1886
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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