Rechtsprechung
AG Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 19.11.2008 - 2 C 231/08
Störerhaftung bei unerwünschter SMS-Werbung – Die Zuweisung von (SMS-) Kurzwahlnummern an einen Anbieter, der diese Kurzwahlnummern seinen Vertragspartnern weitergibt, begründet nicht ohne weiteres eine Störereigenschaft dieses Anbieters für die Versendung unzulässiger SMS-Werbung unter diesen Kurzwahlnummern.
BGB §§ 823 Abs. 1, 862, 903, 1004 Abs. 1
Leitsätze:*1. Die Übersendung unerwünschter Kurzmitteilungen (SMS) an einen Mobilfunkteilnehmer ist grundsätzlich geeignet, dessen
Eigentums- und allgemeines Persönlichkeitsrecht zu verletzen (vgl. LG Berlin NJW 2002, 2569; BGH NJW 1989, 902).
2. Die Zuweisung von (SMS-) Kurzwahlnummern an einen Anbieter, der diese Kurzwahlnummern an seine Vertragspartner weitergibt, begründet nicht ohne weiteres eine unmittelbare oder mittelbare Störereigenschaft dieses Anbieters für die Versendung unzulässiger
SMS-Werbung (durch Dritte) unter diesen Kurzwahlnummern.
3. Während im Fall unzulässiger SMS-Werbung unmittelbarer Störer nur derjenige ist, der Kurzmitteilungen (SMS) versendet,
ist mittelbarer Störer derjenige, der sich die Störung durch einen anderen (hier: unerwünschte Werbe-SMS durch Vertragspartner)
zurechnen lassen muss. Hierbei erfolgt die Zurechnung im Fall des Schutzes absoluter Rechte des bürgerlichen Rechts anders als
im Wettbewerbsrecht dann, wenn eine (feststehende) adäquate Mit- /Verursachung gegeben ist und die Möglichkeit der Beherrschung besteht.
4. Dem Anspruchsteller (hier: dem betroffene Mobilfunkteilnehmer) obliegt es, eine adäquate Mit- /Verursachung des Anbieters
der Kurzwahlnummern darzulegen. Hierbei kommen ihm die Erleichterungen des Anscheinsbeweises grundsätzlich nicht zugute, da es
möglich ist, Kurzwahlen an Dritte weiter zu geben und – ähnlich wie bei E-Mails - einen anderen Absender vorzutäuschen.
Die Voraussetzungen eines Anscheinsbeweises, nämlich ein bestimmter Sachverhalt (hier: Zuweisung der Kurzwahl), der nach
allgemeiner Lebenserfahrung auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für einen bestimmten Umstand (hier: Urheberschaft
bezüglich der Werbe-SMS) schließen lässt und der auch mit einer solchen Häufigkeit geben ist, die eine hohe Wahrscheinlichkeit
für den betreffenden Fall ergibt, liegen nicht vor.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 06.12.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1823
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
BGH, Urteil vom 25.07.2019 - I ZR 29/18, MIR 2019, Dok. 027
Berliner Runde - Live-Weitersendung und öffentliche Zugänglichmachung einer Berichterstattung des ZDF über die Bundestagswahl im Rahmen von Bild TV rechtswidrig
Oberlandesgericht Köln, MIR 2022, Dok. 080
Ausgezeichnete Matratze - Irreführende Werbung mit vom Verwender golden gerahmtem und mit Benotungscharakter überschriebenem Siegel der Stiftung Warentest
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 09.06.2022 - 6 U 12/22, MIR 2022, Dok. 048
Gewohnt gute Qualität - Eine "gute und professionelle Beratung" und ein "Service in gewohnt guter Qualität" sind keine besonderen Merkmale einer Dienstleistung
BGH, Urteil vom 15.02.2018 - I ZR 243/16, MIR 2018, Dok. 030
Meme mit Falschzitat - Nach Kenntnis rechtswidriger Inhalte kann ein Plattformbetreiber (hier Meta) verpflichtet sein auch sinn- oder kerngleiche Posts zu löschen
Oberlandesgericht Frankfurt a.M., MIR 2024, Dok. 008