Rechtsprechung
BGH, Beschluss vom 17.09.2008 - III ZR 71/08
Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, Internet & E-Commerce - Zum Begriff des Ausrichtens der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit im Sinne des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO.
EuGVVO Art. 15 Abs. 1 lit. c
Leitsätze:*1. Der Begriff des Ausrichtens in Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO soll neben der gezielt auf den Wohnsitzstaat des
jeweiligen Verbrauchers gerichteten Werbung auch den so genannten elektronischen Handel erfassen, bei dem der
Vertragsschluss auf ausschließlich elektronischem Wege - insbesondere über "interaktive" Websites (mit konkreten
Anpreisungen, Aufforderungen, Bestelloptionen etc.) - zustande kommt. Die notwendige Verbindung zum Wohnsitzstaat des
Verbrauches i.S.v. § 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO wird bereits dadurch geschaffen, dass dessen Vertragspartner seine Tätigkeit
auf diesen Staat ausrichtet.
2. Eine rein "passive" Website (nur mit Kontaktadresse o.ä.) ohne Möglichkeiten des direkten Vertragsschlusses oder
der konkreten Aufforderung des Verbrauchers hierzu ist indes nicht ohne weiteres geeignet den Tatbestand des
Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO zu erfüllen. Die Zugänglichkeit einer Website im Wohnsitzstaat des Verbrauchers allein
genügt nicht (hier: Der Beklagte hatte nicht einmal eine eigene Website unterhalten, sondern war nur
mit seiner Kontaktadresse auf der Website Dritter genannt worden).
3. Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO ist nicht auf Fälle anwendbar, in denen der Verbraucher etwa auf Auslandsreisen "zufällig"
Verträge mit einem "Unternehmer" abschließt. Für das Merkmal des "Ausrichtens" der gewerblichen Tätigkeit
auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers i.S.v. Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO ist vielmehr erforderlich, dass dieser auch dort
zum Vertragsschluss motiviert worden ist, auch wenn der Vertragsschluss selbst nicht in dem
Wohnsitzstaat erfolgt.
4. Zum Begriff des Ausrichtens der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit im Sinne des Art. 15 Abs. 1 lit. c
EuGVVO.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 10.11.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1802
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
Bundesgerichtshof, MIR 2025, Dok. 015
Arzneimittel in Prüfphase und zukünftige Wettbewerbsinteressen - Kein Wettbewerbsverhältnis bei einem noch laufendem Prüfverfahren für ein nur potentielles Arzneimittel
Oberlandesgericht Frankfurt a.M., MIR 2024, Dok. 099
UKlaG-Streitwert - Bei einer auf § 1 oder § 4a UKlaG gestützten Klage eines Wirtschaftsverbands sind Gebührenstreitwert und Beschwer regelmäßig mit EUR 2.500,00 je angegriffener Teilklausel zu bemessen
BGH, Beschluss vom 17.11.2020 - X ZR 3/19, MIR 2021, Dok. 003
Hautfreundliches Desinfektionsmittel II - Die Bezeichnung eines Biozidprodukts als 'Hautfreundlich' fällt als 'ähnlicher Hinweis' unter das Verbot nach Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO
BGH, Urteil vom 10.10.2024 - I ZR 108/22, MIR 2024, Dok. 084
2 Widerrufsbelehrungen - Es verstößt nicht gegen die Informationspflichten aus §§ 312d BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB, wenn jeweils eine Widerrufsbelehrung für Speditionsware und für Standardware vorgehalten wird
OLG Köln, Urteil vom 23.04.2021 - 6 U 149/20, MIR 2021, Dok. 048