Rechtsprechung
Hanseatisches OLG, Urteil vom 12.09.2007 - 5 U 208/06
Beseitigung der Erstbegehungsgefahr - Die durch ein bestimmtes - konkret nicht wettbewerbswidriges - Verhalten gesetzte Erstbegehungsgefahr für einen Wettbewerbsverstoß kann grundsätzlich durch eine nicht-strafbewehrte Unterwerfungserklärung beseitigt werden.
UWG § 2 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1, § 12 Abs. 1; GmbHG § 35a
Leitsätze:*1. Für die Frage, ob ein Bagatellfall i.S.v. § 3 UWG vorliegt, ist der konkret gerügte Verstoß zu Grunde
zu legen.
2. Der Verstoß gegen die Angabepflichten des § 35a GmbH stellt jedenfalls dann wettbewerbsrechtlich nur einen unerheblichen
Verstoß dar, wenn die (konkreten Wettbewerbs-) Parteien (zumindest) ehemals in geschäftlichen Beziehungen gestanden haben
bzw. stehen und im Rahmen dessen wesentliche Teile der in § 35a GmbH genannten Angaben - insbesondere die für die
Informationserschließung bedeutsamen Handelsregisterangaben, (anderweitig) bekannt sind.
In einem solchen Fall ergibt sich eine geringere spezifisch wettbewerbsrechtliche Gefährdungslage, als dies
bei Parteien der Fall wäre, die bislang nicht zueinander in rechtlich relevanten Beziehungen gestanden haben.
3. An die Beseitigung einer Erstbegehungsgefahr sind grundsätzlich weniger strenge Anforderungen zu stellen, als an den
Fortfall der durch eine Verletzungshandlung begründeten Gefahr der Wiederholung eines (wettbewerbswidrigen)
Verhaltens in der Zukunft (BGB GRUR 1992, 116, 117 - Topfguckerscheck). Eine durch Berühmung geschaffene Erstbegehungsgefahr
und mit ihr der Unterlassungsanspruch entfallen grundsätzlich mit der Aufgabe der Berühmung. Eine solche liegt jedenfalls
in der uneingeschränkten und eindeutigen Erklärung, dass die beanstandete Handlung in der Zukunft nicht mehr
vorgenommen werde (BGH WRP 2001, 1076, 1079 - Berühmungsaufgabe; BGH GRUR 1992, 116, 117 - Topfguckerscheck; BGH
GRUR 1993, 53, 55 - Ausländischer Inserent; BGH WRP 1992, 311, 312 - Systemunterschiede). Hierbei ist nicht danach
zu unterscheiden, ob eine "Berühmung" bislang nur verbal oder bereits durch eine konkrete Wettbewerbshandlung erfolgt ist,
die allerdings die Bagatellgrenze des § 3 UWG nicht überschreitet.
4. Die durch ein bestimmtes - konkret nicht wettbewerbswidriges - Verhalten gesetzte Erstbegehungsgefahr für einen
Wettbewerbsverstoß kann grundsätzlich durch eine nicht-strafbewehrte Unterwerfungserklärung
beseitigt werden. Einer weiteren Willensbekundung oder Strafbewehrung bedarf es nicht, um die Ernsthaftigkeit der
Unterwerfungswillens zu bekunden (so demgegenüber notwendig für den Fortfall der Wiederholungsgefahr).
5. Eine vorgerichtliche Abmahnung ist auch dann veranlasst, wenn das als wettbewerbswidrig angegriffene Verhalten zwar keine
Wiederholungsgefahr, jedoch die zur Verfolgung einer vorbeugenden Unterlassungsklage vorausgesetzte Erstbegehungsgefahr begründet.
Der Verletzer schuldet dem Abmahnenden auch dann die Erstattung der für eine solche Abmahnung entstandenen Kosten.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine Verletzung stattgefunden hat, die grundsätzlich entgegen § 4 Nr. 11 UWG wettbewerbswidrig
ist, deren Verfolgung jedoch an § 3 UWG scheitert bzw. auf Grund der konkreten Sachumstände gleichartige,
nunmehr wettbewerblich relevante Verstöße konkret zu befürchten sind. In einem solchen Fall liegt ein (wenngleich möglicherweise
unerheblicher) "Wettbewerbsverstoß" vor.
6. Auch bei einer vorbeugenden Unterlassungsklage ist der Antragsteller i.S.v. § 12 Abs. 1 UWG ein "... zu Geltendmachung eines
Unterlassungsanspruchs Berechtigter...", der nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG wegen der bereits gesetzten Erstbegehungsgefahr
Kostenerstattung verlangen kann.
7. Die schriftliche Reaktion auf eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung (hier: an die Rechtsanwälte der Gegenseite
mit dem Ziel einer Stellungnahmefrist) hat grundsätzlich keinen wettbewerbsrechtlich relevanten Inhalt.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 31.03.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1569
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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