Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 20.11.2007 - VI ZR 144/07
"Bauernfängerei" - Unrichtige Zitate, die Tatsachenbehauptungen enthalten, unterfallen nicht dem Schutzzweck des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. An der Wiedergabe von erwiesen unwahren Tatsachen besteht kein schutzwürdiges Interesse.
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2; GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 Satz 1
Leitsätze:*1. Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug liegen nicht nur dann außerhalb des Schutzbereichs
von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, wenn sie bewusst unwahr sind oder wenn die Unwahrheit bereits im
Zeitpunkt der Äußerung unzweifelhaft feststeht. Vielmehr Der Wahrheitsgehalt fällt bei der Abwägung
ins Gewicht (vgl. BVerfG NJW 1996, 1529; NJW 1999, 1322, 1324). Grundsätzlich tritt die Meinungsfreiheit
bei unwahren Tatsachenbehauptungen hinter das Persönlichkeitsrecht zurück.
2. Der gebotene Ausgleich zwischen den Anforderungen der Meinungsfreiheit und den Belangen des
Persönlichkeitsschutzes wird dadurch hergestellt, dass demjenigen, der nachteilige
Tatsachenbehauptungen über andere aufstellt, Sorgfaltspflichten auferlegt werden, deren Umfang
sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Die Abwägung hängt von der Beachtung dieser
Sorgfaltspflichten ab. Da die Ermittlung der Wahrheit von Tatsachenbehauptungen oft schwierig ist,
trifft denjenigen, der sich nachteilig über einen Dritten äußert, im Rechtsstreit außerdem
eine erweiterte Darlegungslast, die ihn anhält, Belegtatsachen für seine Behauptung anzugeben
(vgl. BGH vom 9.07.1974 - Az. VI ZR 112/73 = NJW 1974, S. 1710, 1711).
3. Unrichtige Zitate unterfallen nicht dem Schutzzweck des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. An der
Wiedergabe von erwiesen unwahren Tatsachen gibt es kein schutzwürdiges Interesse (BGHZ 139, 95, 101 f.;
vgl. BVerfGE 54, 208, 217 ff.; BVerfGE 61, 1, 8; BVerfGE 90, 241, 248 f., 253 m.w.N.).
4. Etwas anders ergibt sich jedenfalls dann nicht - auch nicht unter dem Blickwinkel der Berufsfreiheit
(Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) oder der Wissenschaftsfreiheit - wenn dem sich Äußernden nicht verboten wird,
seine Meinung an sich zu äußern (hier zu dem Prozesskostenfinanzierungsmodell der Klägerin), sondern lediglich die
falsche, mit einer Belegstelle (hier: dem Zitat) versehene Behauptung.
Bearbeiter: Ass. iur. Thomas Gramespacher
Online seit: 10.02.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1511
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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