Rechtsprechung
OLG Köln, Urteil vom 31.08.2007 - 6 U 42/07
"Produktalternative" - Zur Unzulässigkeit vergleichender Werbung durch Bezugnahme auf Produkte des Marktführers, Rufanlehnung und Imagetransfer
UWG §§ 3, 6 Abs. 2 Nr. 4, 8 Abs. 1 Abs. 3 Nr. 1, § 9; BGB § 242
Leitsätze:*1. Nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG ist vergleichende Werbung unzulässig, wenn sie die Wertschätzung
des von einem Mitbewerber verwendeten Kennzeichens in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.
2. Die Verwendung von Unterscheidungszeichen eines Mitbewerbers im Rahmen vergleichender Werbung
stellt allerdings für sich gesehen trotz der damit einhergehenden Anlehnung an Ruf und Verkaufserfolg
des Konkurrenten noch keine unlautere Rufausnutzung in diesem Sinne dar, weil dieser Hinweis Voraussetzung
für einen wirksamen Wettbewerb auf dem fraglichen Markt sein kann (vgl. EuGH GRUR 2002, 354, 356 –
Toshiba/Katun; BGH GRUR 2003, 444, 445 – Ersetzt; BGH GRUR 2005, 163, 165 – Aluminiumräder). Das
wettbewerbsrechtliche Unwerturteil kann erst dann gerechtfertigt sein, wenn die Nennung fremder Marken,
Produkte oder sonstiger Unterscheidungszeichen bei den angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck
hervorruft, dass diese Verkehrsteilnehmer den guten Ruf der Erzeugnisse des Konkurrenten auf die Waren
des vergleichend Werbenden übertragen (EuGH GRUR 2002, 354,356 - Toshiba/Katun; BGH GRUR 2004, 607, 611 – Genealogie der Düfte).
Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist im Einzelfall insbesondere im Hinblick auf die Präsentation der Werbung,
aber auch mit Blick auf die angesprochenen Verkehrskreise zu beurteilen, weil eine Rufübertragung im fraglichen
Sinne bei Endverbrauchern wahrscheinlicher ist als bei Fachkreisen (vgl. EuGH GRUR 2002, 354, 356 - Toshiba/Katun;
BGH GRUR 2004, 607, 611 – Genealogie der Düfte).
3. Allein aus dem Umstand eines umfassenden "Sortimentsvergleichs" resultiert die Unlauterkeit einer vergleichenden
Werbung noch nicht. Vielmehr ist auch ein ganze Sortimente einschließender Warenvergleich nicht grundsätzlich
unzulässig (EuGH GRUR 2007, 69, 72 zur Werbung von Supermarktketten =
MIR 2006, Dok. 162).
4. Bezweckt die in der werblichen, vergleichenden Verwendung fremder Unternehmenszeichen liegende Rufanlehnung
ausschließlich einen Imagetransfer, ohne dass zugleich einem Bedürfnis des Verkehrs nach Aufklärung über
die Austauschbarkeit von Waren Rechnung getragen würde, liegen die Voraussetzungen einer i.S. des § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG
unzulässigen Werbung vor. Dies gilt vor allem dann, wenn der Werbende nicht darauf angewiesen ist, zum Zwecke
eines effektiven Wettbewerbs gezielt auf Produkte eines Mitbewerbers (hier: Marktführer) hinzuweisen, um die
eigenen Produkte zu vertreiben.
5. Etwa im Ersatzteilgeschäft oder dem Markt der Duftnachahmungen kann sich allerdings eine anderer Beurteilung ergeben, da
für den Werbenden hier die Notwendigkeit bestehen kann über die Substituierbarkeit der Produkte aufzuklären.
Bearbeiter: Ass. iur. Thomas Gramespacher
Online seit: 22.01.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1487
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
Bundesgerichtshof, MIR 2017, Dok. 043
Durchschnittliche Sternebewertung - Zur Werbung mit der Angabe "Bekannt aus: ..." und mit einer aus Kundenbewertungen resultierenden durchschnittlichen Sternezahl
OLG Hamburg, Urteil vom 21.09.2023 - 15 U 108/22, MIR 2023, Dok. 067
NJW-Orange - Zur Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung und zur Unterscheidungskraft bei einer Farbmarke
BGH, Beschluss vom 22.07.2021 - I ZB 16/20, MIR 2021, Dok. 082
Sparpreis nur mit E-Mail oder Handynummer? - Die zwingende Angabe der E-Mail-Adresse oder Handynummer für den Bahnfahrkartenerwerb auch am Schalter ist rechtswidrig
Oberlandesgericht Frankfurt a.M., MIR 2025, Dok. 049
Identitätsdiebstahl II - Eine unzulässige geschäftliche Handlung nach Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG kann nur dann angenommen werden, wenn eine nicht bestellte Ware oder Dienstleistung tatsächlich geliefert bzw. erbracht wurde
BGH, Urteil vom 20.10.2021 - I ZR 17/21, MIR 2022, Dok. 002