Rechtsprechung // Markenrecht
BGH, Versäumnisurteil vom 01.12.2022 - I ZR 144/21
Wegfall der Wiederholungsgefahr III - Zum Wegfall der Wiederholungsgefahr, dem Wegfall deren Wegfalls durch Ablehnung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Vertragsstrafe nach "Hamburger Brauch" bei einem erneuten Verstoß
Verordnung (EU) 2017/1001 Art. 9, 17 Abs. 1, Art. 130 Abs. 1
Leitsätze:*1.
a) Eine neue Markenrechtsverletzung trotz strafbewehrter Unterlassungserklärung begründet regelmäßig erneut die Wiederholungsgefahr, die grundsätzlich nur durch eine weitere Unterwerfungserklärung mit einer gegenüber der ersten erheblich höheren Strafbewehrung ausgeräumt werden kann. Einem Vertragsstrafeversprechen nach "Hamburger Brauch" wohnt eine solche höhere Strafbewehrung bereits inne. Es entfaltet mit der Möglichkeit, eine Vertragsstrafe auch in zuvor nicht absehbarer Höhe festzusetzen, im Wiederholungsfall dem Schuldner gegenüber die notwendige Abschreckungswirkung, zumal der Umstand der wiederholten Zuwiderhandlung bei einer gerichtlichen Überprüfung der Angemessenheit der Vertragsstrafe zu berücksichtigen ist.
b) Für den Wegfall der Wiederholungsgefahr genügt grundsätzlich der Zugang einer strafbewehrten Unterlassungserklärung des Schuldners, die sich als Ausdruck eines ernsthaften Unterlassungswillens darstellt. Dafür ist erforderlich, dass die strafbewehrte Unterlassungserklärung bis zu ihrer Annahme oder Ablehnung durch den Gläubiger bindend ist, damit dieser sie jederzeit annehmen und so die Vertragsstrafeverpflichtung begründen kann. Nur dann ist die erforderliche Abschreckungswirkung gegeben, die den Wegfall der Wiederholungsgefahr schon mit Zugang der strafbewehrten Unterlassungserklärung rechtfertigt.
c) Lehnt der Gläubiger die Annahme der strafbewehrten Unterlassungserklärung gegenüber dem Schuldner ab, scheitert der Abschluss des Unterlassungsvertrags und es fehlt ab diesem Zeitpunkt an der für den Wegfall der Wiederholungsgefahr erforderlichen Abschreckungswirkung durch eine (drohende) Vertragsstrafeverpflichtung (Aufgabe von BGH, Urteil vom 31. Mai 1990 - I ZR 285/88, GRUR 1990, 1051 [juris Rn. 16] = WRP 1991, 27 - Vertragsstrafe ohne Obergrenze).
2. Der (Unterlassungs-)Schuldner kann bis zum Zugang der Ablehnung der Annahme die durch die Verletzungshandlung begründete Vermutung einer Wiederholungsgefahr durch einen Verweis auf seine einseitige strafbewehrte Unterlassungserklärung sowohl gegenüber dem Erstgläubiger als auch gegenüber Drittgläubigern widerlegen. Kommt es zu einer Ablehnung der Annahme einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung durch den Unterlassungsgläubiger kann ein unbilliges Ergebnis hinsichtlich des Erstgläubigers dadurch vermieden werden, dass der Schuldner die Möglichkeit hat, sich bei einer gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch ein sofortiges Anerkenntnis gemäß § 93 ZPO der Kostentragung zu entziehen. Der Gefahr einer Mehrfachabmahnung durch Drittgläubiger und einer damit einhergehenden Belastung des Schuldners mit zusätzlichen Abmahnkosten kann dadurch begegnet werden, dass der Schuldner, dessen strafbewehrte Unterlassungserklärung vom Erstgläubiger abgelehnt worden ist, sich unaufgefordert einem Dritten unterwirft und mit diesem einen strafbewehrten Unterlassungsvertrag abschließt. Zwar kann es bei Drittunterwerfungen insbesondere an der für die Unterwerfung erforderlichen Ernsthaftigkeit fehlen. Bei der Ablehnung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung durch den Erstgläubiger wird der Schuldner aber regelmäßig ein berechtigtes Interesse an einer Drittunterwerfung und damit die Ernsthaftigkeit seines Unterlassungswillens darlegen können.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 06.01.2023
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3246
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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