Rechtsprechung
LG Berlin, Urteil vom 25.10.2007 - 27 O 602/07
Aufgabe der Privatsphäre in Internetforen - Wer sich in Internetforen identifizierbar zu erkennen gibt und Umstände seines Privatbereichs offen legt, begibt sich durch dieses Verhalten insoweit eines Teils seiner Privatsphäre.
BGB §§ 823, 1004 Abs. 1 Satz 2; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
Leitsätze:*1. Der Schutz der Privatsphäre umfasst zum einen Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts
typischerweise als "privat" eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder
Zurschaustellung als peinlich empfunden wird oder als unschicklich gilt oder nachteilige
Reaktionen der Umwelt auslöst (etwa: Auseinandersetzungen mit sich selbst, vertrauliche Kommunikation unter Eheleuten,
Sexualität, sozial abweichendes Verhalten, Krankheiten). Zum anderen erstreckt sich der Schutz
auf einen räumlichen Bereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen
oder auch gehen lassen kann.
2. Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme entfällt aber, wenn sich
jemand selbst damit einverstanden zeigt, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende
Angelegenheiten öffentlich gemacht werden (z.B. Exklusivverträge über die Berichterstattung
aus der Privatsphäre). Der verfassungsrechtliche Privatsphärenschutz aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art.
1 Abs. 1 GG (Allgemeines Persönlichkeitsrecht) ist nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet.
Zwar ist niemand an einer solchen Öffnung privater Bereiche gehindert, er kann sich aber dann nicht gleichzeitig auf den öffentlichkeitsabgewandten Privatsphärenschutz berufen.
3. Wer sich in einem Internetforum gegenüber den anderen Forumsteilnehmern unter Nennung seines Namens (hier: Vorname)
und mit Fotoveröffentlichungen aus seinem Privatbereich (hier: Katzenzucht) identifizierbar zu erkennen gibt,
begibt sich durch dieses Verhalten - bezogen auf die insoweit eröffneten Bereiche - eines Teils seiner Privatsphäre.
Dies hat zur Folge, dass sich die betreffende Person im Rahmen der öffentlichen Auseinandersetzung in
dem Internetforum (hier: zu Orientkatzen) auch Kritik an ihrer Person und ihrem Verhalten (hier: Katzenhaltung)
gefallen lassen muss. Dies gilt jedenfalls soweit die Grenzen zur Schmähkritik
nicht überschritten und nicht unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden.
Bearbeiter: Thomas Gramespacher
Online seit: 04.01.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1466
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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