Kurz notiert
Bundesgerichtshof
DocMorris - Zulässigkeit des von DocMorris betriebenen Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln muss nochmals überprüft werden
BGH, Urteil vom 20.12.2007 - Az. I ZR 205/04; Vorinstanten: KG Berlin, Urteil vom 9.11.2004 - Az. 5 U 300/01 (= WRP 2005, 514), LG Berlin, Urteil vom 30.10.2001 - Az. 103 O 109/01
MIR 2007, Dok. 431, Rz. 1
1
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 20.12.2007 eine vorinstanzliche Entscheidung, mit der ein früheres Vorstandsmitglied der von den
Niederlanden aus agierenden Internet-Apotheke DocMorris zur Unterlassung des Versandhandels mit
verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und der darauf bezogenen Werbung verurteilt worden ist,
aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Zur Sache
Das Kammergericht hatte der vom Verband Sozialer Wettbewerb in Berlin erhobenen Unterlassungsklage mit der Begründung stattgegeben, der von DocMorris in der Zeit bis 2001 betriebene Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und die entsprechende Werbung seien nach den damals geltenden Vorschriften rechts- und wettbewerbswidrig gewesen und auch nunmehr nach der Freigabe eines solchen Versandhandels unter bestimmten Bedingungen unzulässig. Auch nach der 2004 in Kraft getretenen Neuregelung ist der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nur zulässig, wenn er in dem Ursprungsland zugelassen ist und dort ein der deutschen Rechtslage vergleichbares Schutzniveau besteht. Das Kammergericht hatte auf das in den Niederlanden geltende geschriebene Gesetzesrecht abgestellt, das den deutschen Schutzstandards nicht gerecht werde. Im Übrigen fehle es bei Versandapotheken in den Niederlanden schon an einem Gebot zur Führung einer Präsenzapotheke.
Entscheidung des BGH: Neben geschriebener Gesetzeslage auch tatsächliches Sicherheitsniveau einzubeziehen
Der Bundesgerichtshof hat sich dieser Beurteilung nicht angeschlossen. Beim Vergleich der Sicherheitsstandards in Deutschland und in den Niederlanden sei nicht allein auf die jeweils gegebene Gesetzeslage, sondern auf die jeweilige Rechtslage im Blick auf die tatsächlich bestehenden Sicherheitsstandards abzustellen. Auch wenn das niederländische Recht den Versandhandel mit Arzneimitteln nicht von der Führung einer Präsenzapotheke abhängig mache, könne dies einem Versandhandelsunternehmen nicht entgegengehalten werden, das tatsächlich eine Präsenzapotheke betreibe. Davon sei auch das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung in einer im Juni 2005 ergangenen Bekanntmachung ausgegangen. An dieser Bekanntmachung, nach der in den Niederlanden für den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln dem deutschen Recht vergleichbare Sicherheitsstandards bestünden, soweit Versandapotheken gleichzeitig eine Präsenzapotheke unterhielten, werde sich das Berufungsgericht in der neuen Verhandlung maßgeblich zu orientieren haben. Es werde daher insbesondere zu prüfen haben, ob DocMorris auch früher schon eine den niederländischen Vorschriften entsprechende Präsenzapotheke betrieben hat.
(tg) - Quelle: PM Nr. 195/07 des BGH vom 20.12.2007
Zur Sache
Das Kammergericht hatte der vom Verband Sozialer Wettbewerb in Berlin erhobenen Unterlassungsklage mit der Begründung stattgegeben, der von DocMorris in der Zeit bis 2001 betriebene Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und die entsprechende Werbung seien nach den damals geltenden Vorschriften rechts- und wettbewerbswidrig gewesen und auch nunmehr nach der Freigabe eines solchen Versandhandels unter bestimmten Bedingungen unzulässig. Auch nach der 2004 in Kraft getretenen Neuregelung ist der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nur zulässig, wenn er in dem Ursprungsland zugelassen ist und dort ein der deutschen Rechtslage vergleichbares Schutzniveau besteht. Das Kammergericht hatte auf das in den Niederlanden geltende geschriebene Gesetzesrecht abgestellt, das den deutschen Schutzstandards nicht gerecht werde. Im Übrigen fehle es bei Versandapotheken in den Niederlanden schon an einem Gebot zur Führung einer Präsenzapotheke.
Entscheidung des BGH: Neben geschriebener Gesetzeslage auch tatsächliches Sicherheitsniveau einzubeziehen
Der Bundesgerichtshof hat sich dieser Beurteilung nicht angeschlossen. Beim Vergleich der Sicherheitsstandards in Deutschland und in den Niederlanden sei nicht allein auf die jeweils gegebene Gesetzeslage, sondern auf die jeweilige Rechtslage im Blick auf die tatsächlich bestehenden Sicherheitsstandards abzustellen. Auch wenn das niederländische Recht den Versandhandel mit Arzneimitteln nicht von der Führung einer Präsenzapotheke abhängig mache, könne dies einem Versandhandelsunternehmen nicht entgegengehalten werden, das tatsächlich eine Präsenzapotheke betreibe. Davon sei auch das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung in einer im Juni 2005 ergangenen Bekanntmachung ausgegangen. An dieser Bekanntmachung, nach der in den Niederlanden für den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln dem deutschen Recht vergleichbare Sicherheitsstandards bestünden, soweit Versandapotheken gleichzeitig eine Präsenzapotheke unterhielten, werde sich das Berufungsgericht in der neuen Verhandlung maßgeblich zu orientieren haben. Es werde daher insbesondere zu prüfen haben, ob DocMorris auch früher schon eine den niederländischen Vorschriften entsprechende Präsenzapotheke betrieben hat.
(tg) - Quelle: PM Nr. 195/07 des BGH vom 20.12.2007
Online seit: 20.12.2007
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