Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 04.10.2007 - I ZR 143/04
Versandkosten - Gegen die Preisangabenverordnung (PAngV) wird bei Internetangeboten nicht verstoßen, wenn neben der Abbildung einer Ware nur deren Preis genannt und nicht auf derselben Internetseite darauf hingewiesen wird, dass der Preis die Umsatzsteuer enthält und zusätzlich Liefer- und Versandkosten anfallen.
UWG §§ 3, 4 Nr. 11; PAngV § 1 Abs. 2 und Abs. 6; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Leitsätze:*1. Ein Unterlassungsantrag, der auf das Verbot gerichtet ist, Artikel des Sortiments
ohne den eindeutig zuzuordnenden und leicht erkennbaren Hinweis darauf zu bewerben,
ob und gegebenenfalls in welcher Höhe zusätzlich Liefer- und Versandkosten anfallen
und ob die Preise einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile gelten,
ist grundsätzlich unbestimmt, weil er ohne konkrete Bezeichnung einer zu verbietenden
Verletzungsform lediglich auf die Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 6 PAngV Bezug nimmt.
2. Gegen die Preisangabenverordnung (PAngV) wird bei Internetangeboten nicht bereits dann verstoßen,
wenn auf einer Internetseite neben der Abbildung einer Ware nur deren Preis genannt
wird und nicht schon auf derselben Internetseite darauf hingewiesen wird, dass der
Preis die Umsatzsteuer enthält und zusätzlich zu dem Preis Liefer- und Versandkosten anfallen.
Den Verbrauchern ist bekannt, dass im Versandhandel neben dem Endpreis üblicherweise Liefer- und
Versandkosten anfallen; sie gehen auch als selbstverständlich davon aus, dass die angegebenen
Preise die Umsatzsteuer enthalten. Es kann deshalb genügen, wenn die durch § 1 Abs. 2 PAngV
geforderten Angaben jedenfalls alsbald sowie leicht erkennbar und gut wahrnehmbar auf
einer gesonderten Internetseite gemacht werden, die noch vor Einleitung des Bestellvorgangs notwendig
aufgerufen werden muss.
3. Ein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung kann wettbewerbsrechtliche Ansprüche aus §§ 8 und 9 i.V. mit
§§ 3, 4 Nr. 11 UWG begründen. Die Vorschriften der Preisangabenverordnung sind dazu bestimmt,
im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Zweck der Preisangabenverordnung ist es, durch
eine sachlich zutreffende und vollständige Verbraucherinformation Preiswahrheit und Preisklarheit zu
gewährleisten und durch optimale Preisvergleichsmöglichkeiten die Stellung der Verbraucher gegenüber
Handel und Gewerbe zu stärken und den Wettbewerb zu fördern (vgl. noch zum UWG a.F. BGHZ 155, 301, 305 –
Telefonischer Auskunftsdienst, m.w.N.).
4. Die Art und Weise, in der die Hinweise gemäß § 1 Abs. 2 PAngV zu geben sind, richtet sich nach § 1 Abs. 6 PAngV.
Wer Angaben nach der Preisangabenverordnung zu machen hat, ist gemäß § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV verpflichtet,
diese dem Angebot oder der Werbung eindeutig zuzuordnen sowie leicht erkennbar und deutlich lesbar oder
sonst gut wahrnehmbar zu machen (hier: verneint für Hinweise in den AGB, der Rubrik "Service" und nach Abschluss
des Bestellvorgangs).
5. Ein unmittelbarer räumlicher Bezug zu den Abbildungen der Waren oder ihren Beschreibungen wird durch
§ 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV nicht zwingend gefordert und ergibt sich auch nicht - auch nicht entsprechend -
aus § 4 Abs. 4 PAngV. Eine unmittelbare Anwendung von § 4 Abs. 4 PAngV scheidet schon deshalb aus, weil die
nach § 1 Abs. 2 PAngV geforderten Angaben zusätzlich zu den Preisen zu machen sind und sich § 4 Abs. 4 PAngV nur
(vgl. LG Hamburg MMR 2006, 420) auf die Art und Weise der Angaben von Preisen bezieht.
6. Die Bestimmung des § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV kann im Einzelfall auf unterschiedliche Weise erfüllt werden.
In jedem Fall müssen die Angaben der allgemeinen Verkehrsauffassung entsprechen (§ 1 Abs. 6 Satz 1 PAngV).
Wenn Waren des täglichen Gebrauchs beworben und angeboten werden, ist dabei maßgeblich auf den durchschnittlichen
Nutzer des Internets abzustellen (vgl. zu § 312c BGB BGH, BGH, Urteil vom 20.7.2006 – Az. I ZR 228/03,
MIR 2006, Dok. 187 –
Anbieterkennzeichnung im Internet). Dieser ist mit den Besonderheiten des Internets vertraut; er weiß, dass Informationen
zu angebotenen Waren auf mehrere Seiten verteilt sein können, die untereinander durch elektronische Verweise ("Links")
verbunden sind. Den Verbrauchern ist allgemein bekannt, dass im Versandhandel neben dem Endpreis üblicherweise
Liefer- und Versandkosten anfallen. Dem Verkehr ist geläufig, dass die Versandkosten als Drittkosten neben dem
Warenpreis gesondert und nicht auf die Ware, sondern auf die Sendung erhoben werden. Die Versandkosten sind danach
nicht schon deshalb in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Warenpreis auszuweisen, weil sie als Teil des Gesamt- oder Endpreises
anzusehen wären. Da der durchschnittliche Käufer im Versandhandel mit zusätzlichen Liefer- und Versandkosten rechnet,
genügt es, wenn die fraglichen Informationen alsbald sowie leicht erkennbar und gut wahrnehmbar auf einer
gesonderten Seite gegeben werden, die noch vor Einleitung des Bestellvorgangs notwendig aufgerufen
werden muss. Informationen in anderen, über Links erreichbaren Rubriken (hier: Menüpunkt "Allgemeine Geschäftsbedingungen"
oder "Service") genügen den Anforderungen allerdings nicht. Ein Kaufinteressent wird erfahrungsgemäß nur Seiten aufrufen,
die er zur Information über die Ware benötigt oder zu denen er durch einfache Links oder durch klare und unmissverständliche
Hinweise auf dem Weg zum Vertragsschluss geführt wird. Dementsprechend benötigt der Verbraucher die Angaben nach
der Preisangabenverordnung nicht erst im Zuge der Bestellung, sondern bereits, wenn er sich mit dem Angebot näher befasst.
Werden die notwendigen Informationen erst dann gegeben, wenn sich der Verbraucher bereits zum Erwerb entschlossen
und deswegen den Bestellvorgang etwa durch Einlegen der Ware in den virtuellen Warenkorb eingeleitet hat, sind die
Voraussetzungen des § 1 Abs. 6 PAngV nicht erfüllt.
7. Insoweit gilt für die Angabe der Umsatzsteuer (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAngV) nichts anderes, gleichwohl
es für die angesprochenen Verbraucher eine Selbstverständlichkeit darstellt, dass die angegeben Preise in einem
an Verbraucher gerichteten Onlineshop die Umsatzsteuer enthalten. Deshalb genügt es hier darauf leicht erkennbar und gut
wahrnehmbar auf einer nachgeordneten Seite hinzuweisen, wobei auch hier der Hinweis nicht erst nach Einleitung
des Bestellvorgangs gegeben werden darf.
Bearbeiter: Thomas Gramespacher
Online seit: 30.11.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1437
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