Rechtsprechung
OLG Köln, Urteil vom 24.08.2007 - 6 U 237/06
"Switch & Profit" - Zur Konkurrentenbehinderung durch einen Telefontarif bei dem die bestehende Verpflichtung, dem Konkurrenten ein Zusammenschaltungsentgelt zu zahlen, entfällt, dem angerufenen Kunden eine Gutschrift erteilt wird und der Anrufer die (höheren) Gebühren für das angewählte Gespräch ins Mobilfunknetz zu entrichten hat.
UWG § 4 Nr. 10
Leitsätze:*1. Voraussetzung eines unlauteren Behinderungswettbewerbs ist die Beeinträchtigung der wettbewerblichen
Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber.
Wettbewerbswidrig ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen allerdings nur dann, wenn die Maßnahme nicht in erster
Linie auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs, sondern zweck- und zielgerichtet auf die Störung der
fremden wettbewerblichen Entfaltung gerichtet ist (BGH, GRUR 2005, 581 – "The Colour of Elégance";
OLG Köln, Urteil vom 30.03.2007 – Az. 6 U 182/06) - sei es, dass gezielt der Zweck verfolgt wird,
den Mitbewerber an seiner Entfaltung zu hindern und ihn dadurch vom Markt zu verdrängen, sei es, dass der
Mitbewerber auf Grund der Behinderung seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in
angemessener Weise zur Geltung bringen kann. Dies lässt sich nur auf Grund einer Gesamtwürdigung aller
objektiven Umstände unter Abwägung der widerstreitenden Interessen der Mitbewerber, der Verbraucher,
der sonstigen Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen (BGHZ 148, 1 = GRUR 2001, 1061 – Mitwohnzentrale;
BGH GRUR 2002, 902 – Vanity-Nummern; BGH GRUR 2004, 877 – Werbeblocker; OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 77 – schuhmarkt.de;
OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 151 – Telefonauskunft 11881; OLG Köln GRUR-RR 2006, 19 – schlüsselbänder.de).
2. Das Eindringen in den Kundenkreis eines Mitbewerbers ist zwar grundsätzlich nicht als unlauter anzusehen;
denn der Mitbewerber hat kein geschütztes Recht auf Erhaltung seiner Kundschaft und das Ausspannen
von Kunden, auch wenn es zielbewußt und systematisch geschieht, liegt im Wesen des Wettbewerbs
(BGH, GRUR 2002, 548 – Mietwagenkostenersatz). Unzulässig wird ein solches Verhalten allerdings,
wenn Kunden in unangemessener Weise "abgefangen" werden.
3. Das Angebot eines Telefondienstleisters an seine Festnetzkunden, die zugleich über einen Mobilfunkanschluss
(auch eines anderen Betreibers) verfügen, bei einem Anruf aus seinem Festnetz unter der Mobilfunknummer durch
eine Rufumleitung eine Verbindung zwischen den Festnetzanschlüssen herzustellen, stellt eine individuelle
Behinderung des anderen Betreibers i. S. des § 4 Nr. 10 UWG dar, wenn dadurch die ansonsten bestehende Verpflichtung,
diesem ein Zusammenschaltungsentgelt zu zahlen, entfällt und dem angerufenen Kunden eine Gutschrift erteilt wird,
während der Anrufer die (höheren) Gebühren für das angewählte Gespräch ins Mobilfunknetz zu entrichten hat
(anders als OLG Düsseldorf, GRUR–RR 2006, 100).
Bearbeiter: Thomas Gramespacher
Online seit: 12.11.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1422
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
Oberlandesgericht Frankfurt a.M., MIR 2021, Dok. 057
Vertriebssystem 1.0 - Zur Frage der Kernbeschränkung durch eine Klausel, die Einzelhändlern eine Unterstützung von Preisvergleichsmaschinen generell untersagt (Per-se-Verbot)
BGH, Beschluss vom 12.12.2017 - KVZ 41/17, MIR 2018, Dok. 006
Dringlichkeitsvermutung und die Mär vom Zeitguthaben - Zum dringlichkeitsschädlichen Verhalten des ungesicherten Verfügungsklägers
OLG Stuttgart, Urteil vom 27.01.2022 - 2 U 288/21, MIR 2022, Dok. 020
eBay-Abbruchjäger - Ob das Verhalten eines Bieters auf eBay als rechtsmissbräuchlich einzustufen ist, bedarf einer Gesamtwürdigung der konkreten Einzelfallumstände
BGH, Urteil vom 22.05.2019 - VIII ZR 182/17, MIR 2019, Dok. 025
Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, umfasst regelmäßig auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands
BGH, Beschluss vom 11.10.2017 - I ZB 96/16, MIR 2018, Dok. 022