Kurz notiert // Persönlichkeitsrecht
Oberlandesgericht Frankfurt a.M.
Meme mit Falschzitat - Nach Kenntnis rechtswidriger Inhalte kann ein Plattformbetreiber (hier Meta) verpflichtet sein auch sinn- oder kerngleiche Posts zu löschen
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 25.01.2024 - 16 U 65/22; Vorinstanz: LG Frankfurt a.M., Urteil vom 8.4.2022 - 2-03 O 188/21
MIR 2024, Dok. 008, Rz. 1
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Die konkrete Kenntnis eines rechtsverletzenden Posts (hier: Falschzitat) verpflichtet einen Plattformbetreiber - hier Meta -, auch andere sinngleiche Äußerungen zu löschen. Der Umstand, dass die Bewertung automatisiert aufgefundener sinngleicher Äußerungen teilweise einer kontextgebundenen menschlich-händischen Überprüfung bedarf, führt nicht zur Unzumutbarkeit. Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. bestätigte Entscheidung vom 25.01.2024 (16 U 65/22) einen insoweit geltend gemachten Unterlassungsanspruch.
Zur Sache:
Die Klägerin ist Politikerin und für die Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Bundestag. Sie wendet sich unter anderem gegen ein sogenanntes Meme, das über die von der Beklagten betriebene Platt- form Facebook gepostet wurde. Es zeigt die Klägerin mit Bild und unter Nennung ihres Vor- und Zunamens sowie der als Zitat gekennzeichneten Äußerung: "Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen!". Diese Äußerung hat die Klägerin unstreitig nie getätigt.
Das Landgericht hatte die Beklagte hinsichtlich dieses Meme verpflichtet, es zu unterlassen, identische oder kerngleiche Inhalte auf der Plattform öffentlich zugänglich zu machen und sie zudem zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von EUR 10.000,00 verurteilt.
Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hatte nur hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung einer Geldentschädigung, nicht aber hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung Erfolg.
Entscheidung des Gerichts: Falschzitat stellt einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar
Das Landgericht habe der Klägerin zutreffend einen Unterlassungsanspruch zuerkannt, so das OLG. Das Falschzitat stelle einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin dar. Es verletze sie in ihrem Recht am eigenen Wort.
Meta auch zur Löschung von weiteren identischen oder kern- bzw. sinngleichen Posts verpflichtet
Die Beklagte hafte als so genannte mittelbar verantwortliche Störerin auch dafür, dass sie es zu unterlassen habe, alle weiteren identischen oder kern- bzw. sinngleichen Posts zu diesem Post zu löschen. Durch die mit anwaltlichem Schreiben erfolgte Übermittlung der konkreten URLs hinsichtlich der von der Klägerin angegriffenen Posts habe die Beklagte unmittelbar Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Zudem werde in dem Schreiben definiert, was die Klägerin unter sinngleich verstehe. Diese Kenntnis und Information habe eine Prüf- und Verhaltenspflicht hinsichtlich der Existenz sinngleicher Inhalte ausgelöst, die ebenfalls zu löschen gewesen wären.
Keine allgemeine Ãœberwachungs- oder aktive Nachforschungspflicht, aber...
Die Beklagte treffe - nach der E-Commerce-Richtlinie - zwar keine allgemeine Überwachungs- und aktive Nachforschungspflicht hinsichtlich rechtswidriger Inhalte. Die konkrete Kenntnis der Rechtsverletzung verpflichte die Beklagte jedoch, künftig derartige Störungen zu verhindern. Dies gelte nicht nur für wortgleiche Inhalte, sondern auch dann, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß ganz oder teilweise Gegenstand einer erneuten Äußerung seien.
... im Rahmen des Zumutbaren Prüf- und Verhaltenspflicht in Bezug auf sinngleiche Inhalte
Bei der Nachforschung nach derartigen sinngleichen Äußerungen müsse zwar nach der Rechtsprechung des EuGH aus Gründen der Zumutbarkeit auf "automatisierte Techniken und Mittel" zurückgegriffen werden können. Dies sei hier jedoch auch grundsätzlich der Fall. Der Umstand, dass es in Fällen der Wiedergabe des Meme mit eigenen Zusätzen (sog. Caption) einer Sinndeutung bedürfe, so dass nicht rein automatisiert vorgegangen werden könne, stehe dem nicht entgegen. Der Senat fordere keine - europarechtswidrige - autonome rechtliche Prüfung des Inhalts solcher Posts, die sich vom Ursprungspost lösen. Der Beklagten werde nur die Beurteilung auferlegt, ob die Unterschiede aufgrund der abweichenden Gestaltung gegenüber dem Meme nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Empfängers bewirkten, dass erkennbar werde, dass ein Falschzitat vorliege oder nicht. Diese menschlich-händische Einzelfallbewertung sei in Kombination mit technischen Verfahren automatisch erkannter bereits hochgeladener Inhalte zumutbar. Im Übrigen könne mithilfe des Einsatzes sog. KI-Systeme eine weitere automatische Vorfilterung erfolgen.
Kein Anspruch auf Geldentschädigung - Revision zugelassen
Der Klägerin stehe jedoch kein Anspruch auf Geldentschädigung zu. Dabei könne offenbleiben, ob bei einer hartnäckigen Verweigerung, einem Unterlassungsanspruch nachzukommen, ein solcher Anspruch begründet sei. Hier fehle es jedenfalls an einer solchen hartnäckigen Verweigerung. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Beklagte als sog. Hostprovider eine Prüf- und Verhaltenspflicht in Bezug auf sinngleiche Inhalte treffe, die Revision zugelassen.
(tg) - Quelle: PM Nr. 6/2024 des OLG Frankfurt a.M. vom 25.01.2024
Zur Sache:
Die Klägerin ist Politikerin und für die Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Bundestag. Sie wendet sich unter anderem gegen ein sogenanntes Meme, das über die von der Beklagten betriebene Platt- form Facebook gepostet wurde. Es zeigt die Klägerin mit Bild und unter Nennung ihres Vor- und Zunamens sowie der als Zitat gekennzeichneten Äußerung: "Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen!". Diese Äußerung hat die Klägerin unstreitig nie getätigt.
Das Landgericht hatte die Beklagte hinsichtlich dieses Meme verpflichtet, es zu unterlassen, identische oder kerngleiche Inhalte auf der Plattform öffentlich zugänglich zu machen und sie zudem zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von EUR 10.000,00 verurteilt.
Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hatte nur hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung einer Geldentschädigung, nicht aber hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung Erfolg.
Entscheidung des Gerichts: Falschzitat stellt einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar
Das Landgericht habe der Klägerin zutreffend einen Unterlassungsanspruch zuerkannt, so das OLG. Das Falschzitat stelle einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin dar. Es verletze sie in ihrem Recht am eigenen Wort.
Meta auch zur Löschung von weiteren identischen oder kern- bzw. sinngleichen Posts verpflichtet
Die Beklagte hafte als so genannte mittelbar verantwortliche Störerin auch dafür, dass sie es zu unterlassen habe, alle weiteren identischen oder kern- bzw. sinngleichen Posts zu diesem Post zu löschen. Durch die mit anwaltlichem Schreiben erfolgte Übermittlung der konkreten URLs hinsichtlich der von der Klägerin angegriffenen Posts habe die Beklagte unmittelbar Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Zudem werde in dem Schreiben definiert, was die Klägerin unter sinngleich verstehe. Diese Kenntnis und Information habe eine Prüf- und Verhaltenspflicht hinsichtlich der Existenz sinngleicher Inhalte ausgelöst, die ebenfalls zu löschen gewesen wären.
Keine allgemeine Ãœberwachungs- oder aktive Nachforschungspflicht, aber...
Die Beklagte treffe - nach der E-Commerce-Richtlinie - zwar keine allgemeine Überwachungs- und aktive Nachforschungspflicht hinsichtlich rechtswidriger Inhalte. Die konkrete Kenntnis der Rechtsverletzung verpflichte die Beklagte jedoch, künftig derartige Störungen zu verhindern. Dies gelte nicht nur für wortgleiche Inhalte, sondern auch dann, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß ganz oder teilweise Gegenstand einer erneuten Äußerung seien.
... im Rahmen des Zumutbaren Prüf- und Verhaltenspflicht in Bezug auf sinngleiche Inhalte
Bei der Nachforschung nach derartigen sinngleichen Äußerungen müsse zwar nach der Rechtsprechung des EuGH aus Gründen der Zumutbarkeit auf "automatisierte Techniken und Mittel" zurückgegriffen werden können. Dies sei hier jedoch auch grundsätzlich der Fall. Der Umstand, dass es in Fällen der Wiedergabe des Meme mit eigenen Zusätzen (sog. Caption) einer Sinndeutung bedürfe, so dass nicht rein automatisiert vorgegangen werden könne, stehe dem nicht entgegen. Der Senat fordere keine - europarechtswidrige - autonome rechtliche Prüfung des Inhalts solcher Posts, die sich vom Ursprungspost lösen. Der Beklagten werde nur die Beurteilung auferlegt, ob die Unterschiede aufgrund der abweichenden Gestaltung gegenüber dem Meme nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Empfängers bewirkten, dass erkennbar werde, dass ein Falschzitat vorliege oder nicht. Diese menschlich-händische Einzelfallbewertung sei in Kombination mit technischen Verfahren automatisch erkannter bereits hochgeladener Inhalte zumutbar. Im Übrigen könne mithilfe des Einsatzes sog. KI-Systeme eine weitere automatische Vorfilterung erfolgen.
Kein Anspruch auf Geldentschädigung - Revision zugelassen
Der Klägerin stehe jedoch kein Anspruch auf Geldentschädigung zu. Dabei könne offenbleiben, ob bei einer hartnäckigen Verweigerung, einem Unterlassungsanspruch nachzukommen, ein solcher Anspruch begründet sei. Hier fehle es jedenfalls an einer solchen hartnäckigen Verweigerung. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Beklagte als sog. Hostprovider eine Prüf- und Verhaltenspflicht in Bezug auf sinngleiche Inhalte treffe, die Revision zugelassen.
(tg) - Quelle: PM Nr. 6/2024 des OLG Frankfurt a.M. vom 25.01.2024
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 25.01.2024
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3337
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