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BGH, Urteil vom 19.07.2007 - I ZR 93/04
Winsdor Estate - Der Schadensersatzanspruch aus Kennzeichenverletzung sowie der der Bezifferung dieses Anspruchs dienende Auskunftsanspruch sind zeitlich nicht durch die erste Verletzungshandlung begrenzt.
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5, Abs. 6, § 30
Leitsätze:*1. Der Eintritt eines Schadens durch die festgestellte Verletzung einer (Wort-) Marke ergibt
sich daraus, dass der Rechteinhaber den Eingriff in sein Markenrecht als vermögenswertes
Recht nicht hinnehmen muss und jedenfalls Schadensersatz nach den Grundsätzen der
Lizenzanalogie beanspruchen kann (BGHZ 166, 253 (266) - Markenparfümverkäufe).
2 Im Patent- und Sortenschutzrecht entbehren die Feststellung der Schadensersatzpflicht und die
Verurteilung zur Rechnungslegung von der Kennzeichnung als schuldhaft rechtswidrige
Verletzungshandlung abgesehen einer zeitlichen Beziehung,
weil allein auf die Verletzungshandlung abzustellen ist, ohne dass es auf den Zeitpunkt ankommt,
zu dem die Verletzungshandlung vorgenommen worden ist. Deshalb ist der Beginn der Verletzungshandlung
nicht nachzuweisen. Hierfür spricht auch, dass die Ansprüche auf Drittauskunft (nunmehr: § 19 MarkenG, § 46
GeschmMG, § 101a UrhG, § 140b PatG, § 9 Abs. 2 HalblSchG, § 37b SortSchG, § 24b GebrMG)
keiner zeitlichen Beschränkung unterliegen.
3. Der aus einer Kennzeichenverletzung folgende Schadensersatzanspruch sowie der der
Bezifferung dieses Anspruchs dienende Auskunftsanspruch sind zeitlich nicht durch
die vom Gläubiger nachgewiesene erste Verletzungshandlung begrenzt (Aufgabe von BGH,
Urt. v. 26.11.1987 - Az. I ZR 123/85, GRUR 1988, 307 - Gaby).
4. Ein Lizenznehmer, der gemäß § 30 Abs. 4 MarkenG der Verletzungsklage des Lizenzgebers
beitritt, erlangt die Stellung eines einfachen Streitgenossen. Dem Lizenznehmer steht
im Falle einer Markenverletzung kein eigener Schadensersatzanspruch gegen den Verletzer zu.
5. Die Bestimmung des § 30 Abs. 4 MarkenG stellt keine materielle, sondern ausschließlich
eine verfahrensrechtliche Vorschrift dar. Sie regelt nicht die Frage, ob dem Lizenznehmer
ein eigener Schadensersatzanspruch zusteht. Rechtsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch
bei einer Markenverletzung ist danach § 14 Abs. 6 MarkenG. Diese Bestimmung sieht
ausschließlich einen Schadensersatzanspruch für den Markeninhaber vor. Den Schaden,
der dem Lizenznehmer entstanden ist, kann der Lizenzgeber als Markeninhaber im Wege
der Drittschadensliquidation im eigenen Namen geltend machen. Die Wirkung des § 30 Abs. 4 MarkenG
erschöpft sich darin, dass dem Lizenznehmer die Möglichkeit eröffnet wird, als Streitgenosse
des Markeninhabers in dessen Verletzungsprozess aufzutreten und Leistung an den Markeninhaber
zu verlangen.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 19.09.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1370
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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