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OLG Köln, Urteil vom 09.03.2007 - 6 U 169/06
"puristisch, anmutend, (wettbewerblich) eigenartig - der iPod" - Eine wettbewerbswidrige Rufausbeutung kann vorliegen, wenn der Nachahmer den mit der bekannten fremden Ware oder Leistung verbundenen guten Ruf als Werbemittel einsetzt und dem Verbraucher den (günstigen) Erwerb eines "Schein-Originals" ermöglicht.
UWG § 4 Nr. 9
Leitsätze:*1. Die Nachahmung eines fremden Erzeugnisses kann wettbewerbswidrig sein und einen Anspruch
des Mitbewerbers aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz begründen,
wenn das nachgeahmte Erzeugnis über wettbewerbliche Eigenart verfügt und bei den
maßgeblichen Verkehrskreisen eine gewisse Bekanntheit erlangt hat und wenn ferner besondere
Umstände hinzutreten, die die Nachahmung als unlauter erscheinen lassen.
Zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der
Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen besteht eine Wechselwirkung; je
größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme ist, desto geringer
sind die Anforderungen an die besonderen Umstände, die die Wettbewerbswidrigkeit begründen
(st. Rspr., vgl. zuletzt etwa BGH, GRUR 2005, 166 (167) – Puppenausstattungen; GRUR 2005, 600 (602) –
Handtuchklemmen; GRUR 2006, 79 (Rn. 19) – Jeans I; BGH, Urteil vom 21.09.2006 – Az. ZR 270/03 (Rn. 24) –
Stufenleitern; OLG Köln, GRUR-RR 2006, 278 (279) – Arbeitselement für Resektoskopie).
2. Wettbewerbliche Eigenart ist gegeben, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte
Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche
Herkunft und seine Besonderheiten hinzuweisen, wenn dieses also nicht als "Dutzendware" erscheint,
sondern sich von anderen vergleichbaren Erzeugnissen abhebt. Zwar kann es bei technischen Geräten
nicht grundsätzlich als wettbewerbswidrig angesehen werden, wenn Merkmale übernommen werden, die durch den
freizuhaltenden Stand bedingt sind (BGH, GRUR 2002, 275 (276) - Noppenbahnen). Auch sog. Gebrauchsmerkmale
können aber eigenartig sein, wenn sie willkürlich wählbar und frei austauschbar sind
(BGH, GRUR 2005, 600 (602) - Handtuchklemmen ). Auch eine als neu empfundene Kombination bekannter
Gestaltungselemente - die durch die Bekanntheit des Erzeugnisses verstärkt wird - kann wettbewerbliche Eigenart begründen
(BGH, GRUR 2006, 79 - Jeans I); BGH, GRUR 2001, 251 (253) - Messerkennzeichnung).
3. Der "iPod" verfügt über wettbewerbliche Eigenart. Besonders charakteristisch sind Formgebung, Proportionen,
Größe und Anordnung dieser beiden Elemente, durch die ein ganz eigenständiger ästhetischer Gesamteindruck
hervorgerufen wird: puristisch anmutendes Design und klare geometrische - auf die funktionsnotwendigen
Elemente reduzierte - Formen.
4. Ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz kann grundsätzlich nur solange beansprucht werden,
wie die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts besteht (BGH, GRUR 1999, 751 (754) –
Güllepumpen; GRUR 2004, 941 (943) – Metallbett). Allerdings geht die wettbewerbliche Eigenart eines Produkts
nicht dadurch verloren, dass gleichzeitig mehrere Nachahmer auf den Markt kommen; denn
dem Betroffenen würde jede Möglichkeit zur rechtlichen Gegenwehr genommen, wenn jeder der Nachahmer auf
die allgemeine Verbreitung der betreffenden Gestaltungsform durch die anderen Nachahmer verweisen könnte
(BGH, GRUR 2005, 600 (602) – Handtuchklemmen; OLG Köln, GRUR-RR 2003, 183 (185) –
Designerbrillen).
5. Eine unangemessene Rufausbeutung in dem Sinne, dass der angesprochene Verbraucher die Nachahmung eines Produkts für
das "echte" Lizenzprodukt des Originalherstellers hält (Herkunftstäuschung i.S.d. § 4 Nr. 9 lit. a UWG)
setzt nur voraus, dass mit dem Originalprodukt verbundene Qualitätserwartungen und Gütevorstellungen auf die
Nachahmung übertragen werden ("Imagetransfer"), was außer auf einer Herkunftstäuschung auch auf einem Anlehnen an
die fremde Leistung, mithin auf einer Annäherung an die verkehrsbekannten Merkmale des fremden Produkts
beruhen kann (BGHZ 141, 329 (342) = GRUR 1999, 923 (927) – Tele-Info-CD; BGH, GRUR 2003, 973 (975) –
Tupperwareparty; BGH, GRUR 2005, 163 (165) – Aluminiumräder; BGHZ 161, 204 = GRUR 2005, 349 (353) –
Klemmbausteine III).
6. Für die Annahme einer wettbewerbswidrigen Rufausbeutung kann es genügen, wenn der Nachahmer ohne direkte
Übertragung von Qualitätsvorstellungen den mit der bekannten fremden Ware oder Leistung verbundenen guten
Ruf als Werbemittel für den eigenen Absatzerfolg einsetzt (BGHZ 126, 208 = GRUR 1994, 732 (734) - MCLaren),
indem er etwa ein populäres Design des Konkurrenzprodukts ohne sachlich gerechtfertigten Grund (etwa wegen
einer stichhaltigen, technischen Notwendigkeit) nachahmt, sich so mit seinem Erzeugnis an das Image des Originals "anhängt"
und zugleich den Original-Hersteller in seinen Bemühungen um Aufrechterhaltung des guten
Rufs seiner Ware behindert, weil er den - dem Verbraucher etwa allein preislich nahe liegenden -
Erwerb des "Schein-Originals" ermöglicht.
7. Eine etwaige Schwächung der wettbewerblichen Eigenart eines Produkts (hier: des "iPod") hat der angegriffene
Konkurrent/Nachahmer dazulegen und zu beweisen.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 19.08.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1335
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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