Rechtsprechung
BAG, Urteil vom 31.05.2007 - 2 AZR 200/06
Surfen am Arbeitsplatz - Zur verhaltenbedingten Kündigung wegen privater Internetnutzung
KSchG § 1 Abs. 2
Leitsätze:*1. Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 KSchG ist sozial
gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht -
in der Regel schuldhaft - erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret
beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht
besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider
Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (BAG 12.1.2006 - Az. 2 AZR 21/05;
BAG 24.06.2005 - Az. 2 AZR 63/03). Hierbei gilt das Prognoseprinzip. Eine negative
Prognose liegt vor, wenn wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus
resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde zukünftig
den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher
Weise verletzen. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig
eine Abmahnung voraus. Diese dient der Objektivierung der negativen Prognose und ist notwendiger
Bestandteil der Anwendung des Prognoseprinzips.
2. Eine kündigungsrelevante Verletzung arbeitsverträglicher Pflichten bei einer privaten Nutzung des
Internets oder des Dienst-PCs kommt u.a. in Betracht, wenn eine erheblichen Menge von Daten aus dem Internet auf
betriebliche Datensysteme ("unbefugter Download") heruntergeladen wird, insbesondere wenn damit
einerseits die Gefahr möglicher Vireninfizierungen oder anderer Störungen des - betrieblichen -
Systems verbunden sein können oder Daten, bei deren Rückverfolgung es zu
möglichen Rufschädigungen des Arbeitgebers kommen kann (z.B. strafbare oder pornografische Darstellungen)
heruntergeladen werden; wenn durch die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten
Internetanschlusses als solcher, dem Arbeitgeber möglicherweise - zusätzliche - Kosten entstehen
können und der Arbeitnehmer jedenfalls insoweit Betriebsmittel - unberechtigterweise - in Anspruch genommen hat,
wenn durch die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internets oder anderer Arbeitsmittel
w ä h r e n d der Arbeitszeit, der Arbeitnehmer während des Surfens im Internet oder einer intensiven
Betrachtung von Videofilmen oder -spielen zu privaten Zwecken seine arbeitsvertraglich
geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringt und dadurch seiner Arbeitspflicht nicht nachkommt und diese verletzt.
3. Nur im Falle einer exzessiven Nutzung des Mediums (Internets), die eine schwere Vertragspflichtverletzung
darstellen würde, kann - ohne dass der Arbeitgeber vorher irgendwelche Beschränkungen angeordnet hat - davon
ausgegangen werden, dass allein die Verletzung der arbeitsvertraglichen Leistungspflichten ohne Abmahnung
zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen kann. Bei einer "schweren Pflichtverletzung" ist nämlich
regelmäßig dem Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit seines Handels ohne Weiteres genauso erkennbar, wie der
Umstand, dass eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist
(vgl. BAG 10.02.1999 - Az. 2 ABR 31/98 - BAGE 91, 30; BAG 12.01.2006 - Az. 2 AZR 179/05).
Nur deshalb kann dann von dem Erfordernis einer Abmahnung abgesehen werden.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 07.08.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1320
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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