Rechtsprechung
LG Hanau, Urteil vom 12.06.2007 - 5 O 34/07
Textform bei eBay - Eine Internetseite (hier: Angebotsseite bei eBay) ist auch dann nicht als zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneter Datenträger anzusehen, wenn sie für einen gewissen Zeitraum in unveränderter Form zum erneuten Aufruf bereitgehalten wird.
UWG §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 3 Nr. 1; BGB § 312c Abs. 1 Satz 1, BGB-InfoV § 1 Abs. 1 Nr. 10
Leitsätze:*1. Die Regelungen des Widerrufs- und Rückgaberechts in § 312c Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV und
§ 355 BGB sind Bestimmungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG, deren Aufgabe es auch ist, das Marktverhalten
im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln. Die Belehrungspflichten sollen es den Kunden ermöglichen,
sachgerecht von ihren Rechten Gebrauch zu machen. Wird unzutreffend über Kundenrechte
belehrt, ist davon auszugehen, dass dieser Verkäufer sich Wettbewerbsvorteile
gegenüber sich richtig verhaltenden Konkurrenten verschafft.
2. Gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt die Widerrufsfrist mit dem Erhalt der Widerrufsbelehrung in "Textform". Die
Erklärung muss in einer Urkunde oder auf
andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneter Weise abgegeben werden (§ 126b BGB).
Da § 312c Abs. 2 BGB eine Mitteilung der entsprechenden Informationen erfordert, handelt es sich um eine in
diesem Sinne zugangsbedürftige Information. Der Zugang in Textform erfordert daher zusätzlich, dass die
Erklärung in einer zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Form in den Bereich des Empfängers gelangt.
3. Das bei Aufruf einer Internetseite deren Inhalt für einen gewissen Zeitraum in den Ordner für temporäre
Internetdateien zwischengespeichert wird, führt nicht zu einem Empfang dergestalt, dass dem Empfänger
die dauerhafte Wiedergabe möglich ist, weil bei Erreichen der Speicherkapazitäten diese Zwischenspeicherungen
vom Betriebssystem gelöscht werden und durch erneuten Aufruf der Internetseite eine zwischenzeitlich
erfolgte Aktualisierung übernommen wird.
4. Auch der Umstand, dass der Empfänger die Internetseite auf seiner Festplatte speichern und sich
damit in die Lage versetzen könnte, den Inhalt der Seite dauerhaft wiederherzustellen, genügt dem Textformerfordernis nicht.
Im Gegensatz zu Brief, Fax oder E-Mail "verflüchtigt" sich der Inhalt einer aufgerufenen Internetseite automatisch,
soweit der Verbraucher keine aktiven Gegenmaßnahmen in Form der manuellen Speicherung einleitet.
5. Da das Gesetz dem Unternehmer die Verpflichtung auferlegt, dem Verbraucher die Informationen zum
Widerrufsrecht formgerecht zukommen zu lassen, ist es nicht Aufgabe des Verbrauchers, die Eignung zur
dauerhaften Wiedergabe der die Informationen enthaltenden Datei durch eine manuelle Speicherung selbst
erst herbeizuführen. Die Annahme des Zugangs in Textform aufgrund der bloßen Möglichkeit der Speicherung würde
die den Unternehmer treffende Verpflichtung, den formgerechten Zugang herbeizuführen, auf den Verbraucher abwälzen.
6. Eine Internetseite (hier: Angebotsseite bei eBay) ist auch dann nicht als zur dauerhaften Wiedergabe in
Schriftzeichen geeigneter Datenträger i.S.d. § 126b BGB anzusehen, wenn sie für einen gewissen
Zeitraum in unveränderter Form zum erneuten Aufruf bereitgehalten wird. Durch die bloße Möglichkeit des erneuten Onlineabrufs
gelangt die Datei nicht einmal in dem Herrschaftsbereich des Verbrauchers, was aber für einen formgerechten Zugang erforderlich wäre.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 02.07.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1278
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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