Rechtsprechung
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 09.05.2007 - 6 W 61/07
Widerrufsbelehrung im Scrollkasten - Wird eine Widerrufsbelehrung in einem Scrollkasten mit nur geringer Größe dargestellt, in dem nur ein kleiner Teil des Belehrungstextes sichtbar ist, kann dies die Verständlichkeit der Belehrung in einer dem Gesetz nicht mehr genügenden Weise beeinträchtigen.
BGB §§ 305b Nr. 1, 308 Nr.1, 312c Abs. 1, 439, 475 Abs. 1, Abs. 2; UWG §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 3; BGB-InfoV § 1 Abs. 1 Nr. 10
Leitsätze:*1. Wird eine Widerrufsbelehrung in einem Scrollkasten mit nur geringer Größe dargestellt, die dazu führt, dass der Leser
jeweils nur einen sehr kleinen Teil des gesamten Belehrungstextes zur Kenntnis nehmen kann, wird dadurch die
Verständlichkeit der Belehrung selbst für den mit dem Scrollen vertrauten Nutzer in einer mit dem Gesetz
nicht mehr zu vereinbarenden Weise beeinträchtigt und die betreffende Widerrufsbelehrung genügt nicht den
gesetzlichen Anforderungen an Klarheit und Verständlichkeit gem. § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10
BGB-InfoV. Bei einem größeren Scrollkasten kann gleichwohl eine andere Beurteilung geboten sein.
2. Der Vertragspartner des Verwenders wird unangemessen benachteiligt, wenn in einer AGB-Klausel die nach § 305b BGB stets
mögliche abweichende Individualabrede von der Wahrung der Schriftform abhängig gemacht wird (vgl. BGH NJW 2001, 292).
3. Die Beanspruchung einer Annahmefrist von vier Wochen in einer AGB-Klausel durch den Verwender ist –
insbesondere beim Fernabsatz über das Internet – unangemessen lang und verstößt gegen § 308 Nr. 1 BGB.
4. Eine AGB-Klausel, in der sich der Verwender auch gegenüber einem Verbraucher ein Wahlrecht zur Nachbesserung oder
Neulieferung vorbehält, ist nach § 475 Abs. 1 BGB unwirksam, da sie dem Verbraucher
jedes - ihm hiernach unabdingbar zustehendes - Wahlrecht zur Nacherfüllung abschneidet und daher zu
dessen Nachteil von der gesetzlichen Regelung des § 439 BGB abweicht.
5. Eine AGB-Klausel, in der es heißt "Ansprüche des Käufers auf Gewährleistung sind davon abhängig, dass der Käufer ... nicht
offensichtliche Mängel innerhalb von sechs Monaten nach Lieferung anzeigt", ist gegenüber Verbrauchern nach
§ 475 Abs. 2 BGB unwirksam, da sie der Sache nach die Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche auf
weniger als ein Jahr abkürzt; denn nach dem Inhalt der Klausel beginnt die Ausschlussfrist nicht
mit der Entdeckung des Mangels durch den Käufer sondern bereits mit der Lieferung.
6. Auch in der unzureichenden Belehrung des Käufers über das gesetzliche Widerrufsrecht oder in der Verwendung unwirksamer
AGB-Klauseln kann eine - zumindest mittelbar - absatzfördernde Wettbewerbshandlung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG) liegen. Denn auch ein
Verhalten des Unternehmers im Rahmen der bloßen Vertragsabwicklung ist dann ausnahmsweise von einer Wettbewerbsabsicht
getragen, wenn es darauf abzielt, planmäßig den Kunden zu übervorteilen (vgl. GRUR 1987, 180 - Ausschank unter
Eichstrich II; GRUR 2002, 1093 – Kontostandsauskunft; GRUR 2000, 731 – Sicherungsschein).
Eine solche Absicht ist bei einem laufenden Verstoß gegen Belehrungspflichten über das Widerrufsrecht
regelmäßig zu bejahen (vgl. OLG Frankfurt a.M GRUR-RR 2007, 56). Nichts anderes gilt für die Verwendung
unwirksamer oder nicht wirksam vereinbarter AGB-Klauseln (vgl. OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 1.12.2005 – Az. U 116/05).
7. Den Vorschriften über die Widerrufsbelehrung und die Vereinbarung und Verwendung allgemeiner Geschäftsbedingungen kommt
im Interesse eines wirksamen Verbraucherschutzes regelmäßig eine erhebliche Bedeutung zu. Ein Verstoß gegen diese Vorschriften
überschreitet regelmäßig die Bagatellgrenze des § 3 UWG. Eine andere Beurteilung ist nur dann geboten, wenn auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalles der Rechtsverstoß zu keiner konkreten Beeinträchtigung
oder Gefährdung des Verbrauchers führt (vgl. OLG Frankfurt a.M, Beschluss vom 27.11.2006 – Az. 6 W 205/06 - hier verneint).
8. Der Tatsache, dass der klagende Mitbewerber in Fällen von Verstößen gegen die Vorschriften über die Belehrungspflichten
und die Verwendung und Vereinbarung von allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig nur in geringfügigem Ausmaß
in seinen eigenen geschäftlichen Interessen berührt wird, kann und muss im Rahmen der Streitwertbemessung
Rechnung getragen werden (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 5.3.2007 – Az. 6 W 28/07 - m.w.N.).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 15.06.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1254
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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