Rechtsprechung
OLG Köln, Urteil vom 23.02.2007 - Az. 6 U 150/06
Wo High-End draufsteht, muss auch High-End drin sein! - Werden dedizierte Webserver in einer Werbung als "High End – Server" bezeichnet und liegen keine Hinweise vor, dass das Produkt tatsächlich nur dem durchschnittlichen Stand der Technik entspricht, wird der Verbraucher relevant irregeführt.
UWG §§ 3, 5 Abs. 1 , Abs. 2 Nr. 1, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1
Leitsätze:*1. Werden dedizierte Webserver in einer Werbung als "High End – Server" bezeichnet,
geht der angesprochene Verbraucher bei Fehlen gegenteiliger Hinweise davon aus,
dass das so benannte Produkt höchsten Ansprüchen in Bezug auf Technologie und
Werthaltigkeit genügt. Er wird relevant irregeführt, wenn das Produkt stattdessen
nur einwandfrei dem durchschnittlichen Stand der Technik entspricht. Es
liegt dann eine unlautere irreführende Qualitätsberühmung vor.
2. Ob eine Werbung irreführend ist, beurteilt sich maßgeblich danach, wie der
angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung auf Grund ihres Gesamteindrucks
versteht, wobei auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen
Verbrauchers abzustellen ist, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit
entgegenbringt (vgl. etwa BGH GRUR 2005, 438 - Epson-Tinte; BGH GRUR 2005, 690, 691, 692 –
Internet-Versandhandel). Stehen die einzelnen Angaben in einer in sich geschlossenen
Darstellung, so dürfen sie nicht aus ihrem Zusammenhang gerissen werden. Ob mehrere Angaben
innerhalb einer Werbeschrift oder einer sonstigen äußerlich einheitlichen Werbedarstellung
selbst bei einer gewissen räumlichen Trennung gleichwohl, beispielsweise wegen eines
inhaltlichen Bezugs oder wegen eines ausdrücklichen Verweises, als zusammengehörig
aufgefasst werden oder nicht, richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls.
Diese Grundsätze gelten für eine Werbung im Internet in entsprechender Weise.
3. Die Bezeichnung "High End" wird (unter anderem für elektronische Produkte)
im Audio-Bereich als auch generell im Elektronik- und Technikbereich mit einem preislich
und qualitativ überdurchschnittlichen, einem hochwertigen, besonders leistungsstarken,
am oberen Ende der Leistungsskala einzuordnenden Gerät/Produkt verbunden.
Diesem hohen Anspruch wird ein Produkt nicht gerecht, welches sich nur geringfügig - insbesondere
nicht positiv - abhebt und auch in Ansehung der auf dem Markt verfügbaren Konkurrenzprodukte
(hier: für dediziertes Webhosting) nicht besonders hochwertig und/oder leistungsfähig ist, sondern unstreitig nach dem derzeitigen Stand der Technik in keinem Bereich (etwa:
Hardware, Speicher, verbundene Dienstleistungen, Preis) ein überdurchschnittliches
Leistungsniveau erreicht.
4. Da sich Computer-Technologien stetig fortentwickeln, ist zwar auch der Bedeutungsinhalt
eines "HighEnd"-Produkts aus diesem Bereich Veränderungen unterworfen. Es bedarf deshalb
auch nicht der Festlegung im Einzelnen, aufgrund welcher konkreten technischen oder
sonstigen Leistungsmerkmale die beworbenen drei Serverangebote nicht
die derzeit bereits verfügbare Oberklasse darstellen. Die Täuschungsgefahr des angesprochenen
Verkehrs besteht unabhängig hiervon aber jedenfalls dann, wenn das fragliche Produkt in keiner Hinsicht
überdurchschnittlichen Erwartungen gerecht wird.
5. Es genügt nicht der Entschärfung einer zur Irreführung geeigneten Produktbezeichnung
(hier: "High-End Server"), wenn im Zusammenhang der weiteren Bewerbung nur für
besonders fachkundige Verkehrskreise anhand der enthaltenen Leistungsbeschreibungen deutlich
wird, dass tatsächlich kein dem durch die Bezeichnung entstehenden Eindruck entsprechendes
(hier: technisch überdurchschnittliches anspruchsvolles Webhosting-Produkt) Produkt angeboten wird.
MIR 2007, Dok. 146
Die Entscheidung wurde freundlicherweise mitgeteilt von den Mitgliedern des 6. Senats des OLG Köln.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 16.04.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/648
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