Rechtsprechung
LG Erfurt, Urteil vom 15.03.2007 - Az. 3 O 1108/05
Google Bildersuche - Eine Bilder-Suchmaschine mit eindeutigem Hinweis auf den Originalzusammenhang des Bildes, reinen Verlinkungen auf die Originalhomepage und bei der Kopien der Bilder auf den Servern des Betreibers nicht vorgehalten werden, ist urheberrechtlich nicht zu beanstanden.
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 15, § 16, § 97 Abs. 1
LeitsÀtze:*1. Allein der Umstand, dass im Handelsregister ein bestimmter Unternehmensgegenstand
(hier: Betreiber eines Internet-Suchdienstes) eingetragen ist, begrĂŒndet eine (Mit-) Störereigenschaft nicht. Vielmehr ist schlĂŒssig vorzutragen, dass der betreffende Unternehmensgegenstand auch betrieben wird (hier: Mitstörerhaftung von Google Deutschland fĂŒr Rechtsverletzungen im Rahmen der Bildersuchmaschine von Google Inc.).
2. An Werken, die urheberrechtlichen Schutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG genieĂen, steht dem Urheber das ausschlieĂliche Recht (§ 15 UrhG) zu, die öffentliche ZugĂ€nglichmachung seines Werkes zu erlauben oder zu verbieten. Dieses Recht erfasst nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 UrhG auch
die drahtgebundene oder drahtlose ZugĂ€nglichmachung. In dieses Recht wird durch die Abbildung von stark verkleinerten Abbildungen der Kunstwerke im Rahmen einer Bildersuche in Form so genannter âthumbnails" eingegriffen. Es liegt bereits eine urheberrechtliche Nutzung vor. Denn der Betreiber einer Bildersuche macht das urheberrechtlich geschĂŒtzte Werk selbst zugĂ€nglich. Daran Ă€ndert auch der Umstand nichts, dass es sich in der Regel um eine stark verkleinerte Darstellung handelt. Zudem liegt in der unverĂ€nderten Verkleinerung der (Kunst-)
Werke des Urhebers auch ein Eingriff in das VervielfÀltigungsrecht, § 16 UrhG.
3. Die Widerrechtlichkeit einer urheberrechtlichen Nutzung von Werken als "thumbnails" im Rahmen einer Bildersuche entfÀllt allerdings, weil der Urheber - der seine Werke auf der eigenen Homepage veröffentlicht - in eine solche Nutzung und Verwertung konkludent eingewilligt hat. Bei der Vielzahl von Informationen, die das Internet bereithÀlt, steht man stÀndig vor dem Problem Unwesentliches von Wesentlichem zu trennen. Zur BewÀltigung dieser Aufgabe ist der Internetnutzer auf die Funktion von Suchmaschinen dringend angewiesen.
Auf der anderen Seite dienen Suchmaschinen aber auch den Interessen derjenigen, die eine eigene Webseite ins Netz stellen. Diese Personen haben regelmĂ€Ăig ein Interesse daran, dass ihre Seite auch gefunden und aufgerufen wird. In diesem Zusammenhang ist eine Suchanzeige in Form von âthumbnails" bei der Suche nach Kunstwerken sehr viel aussagekrĂ€ftiger als Worte, die ein Werk allein nur unzulĂ€nglich beschreiben. Die Abbildung von âthumbnails"
liegt daher grundsÀtzlich im Interesse des Urhebers.
4. Derjenige Berechtigte/Urheber, der ein Werk im Rahmen seines Internet-Auftritts allgemein und kostenlos zugÀnglich macht, erklÀrt stillschweigend sein EinverstÀndnis mit VervielfÀltigungen, die mit dem Abruf des Werkes notwendig verbunden sind.
Der Urheber hat kein nennenswertes Interesse, die Nutzung von âthumbnails" fĂŒr eine Suche der Vorschau auf frei zugĂ€ngliche Bilder zu untersagen. Wenn er so viele Zugriffe wie möglich erzielen und die Aufmerksamkeit fĂŒr seine Seite erhöhen möchte, muss er als Anbieter der Webseite mit Handlungen zum Zwecke des Zugriffs stillschweigend einverstanden sein. Ist er das nicht, kann er insbesondere den Zugriff durch (Bilder-) Suchmaschinen durch entsprechende Befehle im Quellcode (etwa durch Modifikation der Datei "robots.txt" oder den META-Befehlen "no cache")
leicht verhindern.
5. Allein aus dem Hinweis auf das Copyright folgt ein entsprechender entgegenstehender Wille des Urhebers jedenfalls dann
nicht, wenn, anders als bei möglicherweise weitergehenden Nutzungsformen, die kostenfreie ZugÀnglichmachung
im Internet durch den Urheber selbst veranlasst worden ist. Da âthumbnails" im Rahmen einer Bildersuche diese Nutzungsmöglichkeit
lediglich fördern, aber nicht ausweiten, ist deren Herstellung und Speicherung von der konkludenten Einwilligung
der KlÀgerin umfasst. Dies gilt umso mehr, als sich im Rahmen der Bildersucher ein eindeutiger Hinweis auf den
Originalzusammenhang des betreffenden Werkes befindet ("unten sehen Sie das Bild im Originalzusammenhang"), es sich bei
der Darstellung "Bild in OriginalgröĂe" um eine reine Verlinkung auf die Originalhomepage handelt und Kopien der Bilder
in OriginalgröĂe auf den Servern des Betreibers nicht vorgehalten werden.
6. Handelt es sich bei den im Rahmen einer Bildersuche zusammengestellten Ergebnissen um reine Verlinkungen
sind die GrundsÀtze der Paperboy-Entscheidung (BGH Urteil vom 17.07.2003, Az. I ZR 259/00) zur Anwendung zu bringen.
Hiernach begeht derjenige keine urheberrechtliche Nutzungshandlung, der einen Hyperlink (auch in Form von Deep-Links)
auf eine von dem Urheber/Berechtigten öffentlich zugĂ€nglich gemachte Webseite mit urheberrechtlich geschĂŒtzten Werken setzt.
MIR 2007, Dok. 113
Ein besonderer Dank fĂŒr die Mitteilung der Entscheidung gilt Herrn RA Martin Bahr, Hamburg ( www.dr-bahr.com).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 26.03.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/615
*Redaktionell. Amtliche Leit- und OrientierungssÀtze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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