Rechtsprechung
LG München I, Urteil vom 25.10.2006 - Az. 30 O 11973/05
Hausrecht des Forenbetreibers - Das Recht, Beiträge in einem Internetforum zu veröffentlichen, steht einem Nutzer nur aufgrund eines Vertrages oder einer Gestattung mit dem Bertreiber zu, denn der Betreiber kann grundsätzlich jeden Dritten von seinem Forum aufgrund seines virtuellen Hausrechts ausschließen.
BGB § 12, § 133, § 157, § 314, § 823 Abs. 1, § 858, § 862, § 903 Satz 1 Alt. 2, § 1004, GG Art. 5
Leitsätze:*1. Das Recht, Beiträge in einem Internetforum zu veröffentlichen, steht einem Nutzer nur aufgrund
eines Vertrages oder einer Gestattung mit dem Bertreiber zu, denn der Betreiber kann grundsätzlich
jeden Dritten von seinem Forum aufgrund seines virtuellen Hausrechts ausschließen.
Dieses virtuelle Hausrecht kann dem Forumbetreiber einerseits auf Grund seines Eigentumsrechts zustehen, wenn
er das Eigentum an der Hardware hat, auf der
die Beiträge der Nutzer gespeichert werden. Gem. §§ 903 S. 1 Alt. 2, 1004 BGB kann der Betreiber
dann jeden anderen von der Nutzung der Hardware durch das Speichern von Inhalten auf dieser abhalten. Hat der
Betreiber demgegenüber die Hardware nur gemietet, so kann er aufgrund des Besitzes und seines Rechtes
zum Besitz andere von jeder Einwirkung ausschließen, §§ 858, 862 BGB. Weiterhin findet das virtuelle
Hausrecht seine Grundlage auch darin, dass der Forumbetreiber der Gefahr ausgesetzt ist,
für Beiträger anderer zu haften und auf etwa auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden.
Dem Betreiber muss deswegen das Recht zustehen, Beiträge zu löschen oder den Zugang zu ihnen zu sperren.
2. Ob es für die Sperrung bzw. den Ausschluss eines angemeldeten Nutzers und damit für die Untersagung
weiterer Forumsbeiträge einer (außerordentlichen) Kündigung bedarf, ist danach zu beurteilen, ob
zwischen dem Betreiber des Forums dem Nutzer die Veröffentlichung von Beiträgen lediglich gestattet hat oder
ob die Parteien einen Vertrag geschlossenen haben, kraft dessen der Nutzer das Recht erworben hat, in den
Foren des Betreibers zu veröffentlichen (hier bejaht). Die hier notwendige Abgrenzung nach dem Vorliegen eines
Rechtsbindungswillens ist im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) aus der Perspektive eines verständigen
Beobachters festzustellen.
3. Ein wichtiger Grund liegt gem. § 314 I 2 BGB vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des
Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (hier: Mehrfache Registrierung eines Nutzers unter falschem Namen, während
der Betreiber erkennbar nur Nutzern das Recht zum Verfassen von Beiträgen einräumen wollte, die ihren wirklichen Namen
angeben).
MIR 2007, Dok. 111
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 25.03.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/613
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