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Rechtsprechung



OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 14.12.2006 - Az. 6 U 129/06

Wettbewerbsverstoß durch unzureichende Widerrufsbelehrung bei Internet-Angebot - Zur Frage der rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung von Wettbewerbsverstößen durch Mitbewerber

UWG § 3, § 4 Nr. 11, § 8 Abs. 3, Abs. 4; BGB § 312c; BGB-InfoV § 1 Abs. 1 Nr. 10, Abs. IV Satz 3

Leitsätze:*

1. Eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung verstößt gegen § 4 Nr. 11 UWG, weil die gesetzlichen Vorschriften über die Informationspflichten gegenüber dem Verbraucher wettbewerbsbezogen im Sinne dieser Vorschrift sind. Auch die Bagatellgrenze des § 3 UWG ist wegen der Bedeutung dieser Informationspflichten für den Verbraucherschutz überschritten.

2. Ein Link auf die vollständige Widerrufsbelehrung reicht nur aus, wenn die Kennzeichnung dieses Links hinreichend klar erkennen lässt, dass überhaupt eine Widerrufsbelehrung aufgerufen werden kann ("sprechender Link"). Es genügt nicht, dass der Käufer, der bereits um sein Widerrufsrecht weiß, mit mehr oder weniger Phantasie in der Lage ist, auf der Internetseite hierüber Näheres in Erfahrung zu bringen. Die Widerrufsbelehrung hat vielmehr auch den Zweck, den Käufer darüber zu informieren, dass ihm überhaupt ein Widerrufsrecht zusteht.

3. Eine Widerrufsbelehrung, die unauffällig in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Anbieters eingebettet ist, wird den Anforderungen an die vom Gesetz verlangte "hervorgehobene und deutlich gestaltete Form" (§ 1 Abs. IV Satz 3 BGB-InfoV) nicht gerecht.

4. Eine Widerrufsbelehrung, in der eine Formulierung für sich gesehen einen generellen Ausschluss des Widerrufsrechts für bestimmte Waren enthält (hier: Unterwäscheartikel) widerspricht den Anforderungen an eine klare und eindeutige Belehrung über das Widerrufsrecht selbst dann, wenn man durch Auslegung im Zusammenhang mit weiteren Bestimmungen zu dem Ergebnis gelangen kann, dass der Ausschluss nur für benutze und mit Gebrauchsspuren versehene bestimmte Waren (hier: für getragene und mit Gebrauchsspuren versehene Unterwäsche) gelten soll.

5. Ansatzpunkt für einen Missbrauchsvorwurf im Rahmen wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen kann nicht sein, dass der Abmahnende seinen Mitbewerbern schlicht Schaden oder Unannehmlichkeiten bereiten will, da dies allein keine nachvollziehbare Motivation für umfangreiche Abmahnaktionen ist. Denn eine solche Aktion ist in jedem Fall mit nicht unerheblichen Kostenrisiken verbunden, die ein wirtschaftlich eher schwacher Abmahner wie die Antragstellerin vernünftigerweise nicht allein deswegen eingehen wird, um eine Vielzahl von Mitbewerber zu "ärgern".

6. Der Missbrauchsvorwurf erscheint nachvollziehbar bei einem kollusiven Zusammenwirken zwischen dem Abmahner und dem von ihm beauftragten Anwalt, bei welchem der Anwalt den Mandanten insbesondere von dem genannten Kostenrisiko vollständig oder zum großen Teil freistellt. Dann ist allerdings von einem missbräuchlichen Vorgehen ohne weiteres auszugehen, da in diesem Fall der Abmahner ersichtlich keine ernsthaften Interessen am Schutz gegen unlauteren Wettbewerb verfolgt, sondern sich lediglich dafür hergibt, seinem Anwalt eine Gebühreneinnahmequelle zu verschaffen.

7. Wenn ein - auch wirtschaftlich unbedeutendes - Unternehmen, das die gesetzlichen Vorgaben beachtet, seine Mitbewerber ebenfalls zur Einhaltung dieser Bestimmungen zwingen möchte, ist dies an sich ohne weiteres nachvollziehbar und nicht zu missbilligen. Es erscheint im Hinblick auf die regional nicht begrenzte Wettbewerbssituation im Fernabsatzhandel auch konsequent, nicht nur gegen einige wenige, sondern gegen alle Mitbewerber und deren - im Internet unschwer auffindbaren - Wettbewerbsverstöße vorzugehen (hier: ca. 200 Abmahnungen und etwa 80 Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung).

8. Kein taugliches Indiz für ein kollusives Zusammenwirken zwischen dem Abmahnenden und seinem Prozessbevollmächtigtem ist die Tatsache, dass sich die vom Prozessbevollmächtigten des Abmahnenden in den Abmahnungen zunächst zugrunde gelegten Gegenstandswerte bei einer Überprüfung durch das Gericht als deutlich überhöht erwiesen haben. Dies gilt jedenfalls, soweit die angenommenen Streitwerte nicht völlig außerhalb des Rahmens lagen (hier: 25.000 EUR bei eher durschnittlichen Wettbewerbsstreitigkeiten).

9. Für eine Rechtsmissbräuchlichkeit einer Abmahntätigkeit kann sprechen, dass der Abmahnende mit der von ihm unternommenen Abmahnaktion finanzielle Risiken eingegangen ist, die zu dem betrieblichen Nutzen, den die Unterbindung der beanstandeten Wettbewerbsverstöße seinem Unternehmen bringt, in einem kaum nachvollziehbaren Verhältnis steht.

10. Für eine Rechtsmissbräuchlichkeit muss nicht sprechen, das ein Anwalt keine Vorschüsse für seine Tätigkeit verlangt, was wiederum dazu geführt haben kann, dass den Gesellschaftern eines abmahnenden Unternehmens das eingegangene finanzielle Risikos ungeachtet der hierzu abgegebenen Erläuterung ihres Prozessbevollmächtigten nicht in vollem Ausmaß vor Augen geführt worden ist. Selbst wenn der Anwalt hier das ihm angetragene Mandat übernommen hat, weil er sich hierdurch eine lohnende Einnahmequelle verschaffen konnte, ist dies im Hinblick auf die Regelung des § 8 IV UWG solange nicht zu beanstanden, wie die Geltendmachung des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs allein von der Entscheidung des Mandanten abhängt.

MIR 2007, Dok. 016


Download: Entscheidungsvolltext PDF


Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 14.01.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/518

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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