Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 15.11.2006 - Az. XII ZR 120/04
Zur Rechtsnatur der Softwareüberlassung im Rahmen eines ASP-Vertrages.
BGB § 535
Leitsätze:*1. Zur Rechtsnatur der Softwareüberlassung im Rahmen eines ASP-Vertrages.
2. Gegenstand des ASP Vertrages ist stets die - auf einem Informations- bzw. Datenträger - verkörperte geistige Leistung, die
auch Sachqualität besitzt. Eine auf einem Datenträger verkörperte Standardsoftware ist als bewegliche Sache anzusehen, auf die
je nach der vereinbarten Überlassungsform Miet- oder Kaufrecht anwendbar ist (BGHZ 143, 307, 309; 109, 97, 100 f.; 102, 135,
144; BGH Urteile vom 4. März 1997 X ZR 141/95 MDR 1997, 913; vom 14. Juli 1993 VIII ZR 147/92 NJW 1993, 2436, 2437 f.; vom
7. März 1990 VIII ZR 56/89 NJW 1990, 3011; vom 6. Juni 1984 VIII ZR 83/83 ZIP 1984, 962, 963; Beschluss vom 2. Mai 1985 I ZB
8/84 NJW RR 1986, 219; vgl. auch Schweizerisches Bundesgericht BGE 124 III 456, 459).
3. Der Anwendbarkeit von Mietrecht im Rahmen eines ASP-Vertrages steht nicht entgegen, dass der Kunde keinen Besitz an der
verkörperten Software (Computerprogrammen) erlangt, sondern diese nur über das Internet zugänglich sind. Denn der Mietvertrag
setzt keine Besitzverschaffung, sondern lediglich eine Gebrauchsüberlassung voraus. Nur wenn der Gebrauch der Mietsache notwendig
auch deren Besitz voraussetzt, gehört zur Gebrauchsgewährung auch die Verschaffung des Besitzes.
4. Ist daher eine Besitzverschaffung für den vertragsgemäßen Gebrauch nicht erforderlich - wie hier bei der Onlinenutzung von
Software - so genügt es für die Gebrauchsgewährung, wenn dem Mieter der Zugang zur Mietsache verschafft wird, der auch online erfolgen kann.
5. Ebenso wie die zeitlich begrenzte Softwareüberlassung durch Onlinezugriff auf den Server eines (ASP-) Anbieters, ist auch
die im Rahmen eines ASP-Vertrages weiter vereinbarte Zurverfügungstellung von Speicherkapazitäten auf dem Server des Anbieters
zur Speicherung der von der Beklagten im Rahmen der Softwarenutzung eingegebenen Daten mietvertraglich zu qualifizieren.
6. Der Anwendung von Mietvertragsrecht auf die Softwareüberlassung im Rahmen eines ASP-Vertrages steht nicht entgegen, dass weitere
Leistungen wie Programmpflege, Programmupdates, Datensicherung, Hotlineservice und Einweisung in die Software vereinbart worden
sind, die anderen Vertragstypen (etwa Dienst- oder Werkvertrag) zugeordnet werden können. Insoweit handelt es sich bei dem ASP Vertrag
um einen zusammengesetzten Vertrag, bei dem jeder Vertragsteil nach dem Recht des auf ihn zutreffenden Vertragstypus zu beurteilen
ist (BGHZ 63, 306, 309 ff.), soweit dies nicht im Widerspruch zum Gesamtvertrag steht.
MIR 2007, Dok. 009
Leitsatz 1 ist der amtliche Leitsatz des Gerichts.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 08.01.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/511
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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