Rechtsprechung
LG München I, Urteil vom 26.10.2006 - Az. 7 O 16794/06
Zur wettbewerbsrechtlichen und standesrechtlichen Zulässigkeit einer AdWords-Werbung von Rechtsanwälten
BRAO § 43b, UWG § 4 Nr. 11
Leitsätze:*1. Bei der Regelung des § 43b BRAO handelt es sich um eine Marktverhaltensregel im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG. Hiernach ist
dem Rechtsanwalt Werbung nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht
auf die Erteilung eines Mandats im Einzelfall gerichtet ist. Die Regelung ist jedoch im Hinblick auf das Grundrecht der
Berufsfreiheit (Art. 12 GG) dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass Werbung nicht grundsätzlich verboten, sondern
erlaubt ist.
2. Eine AdWords-Werbung kann nicht grundsätzlich als unzulässige Werbung um Mandate qualifiziert werden. Denn nach § 43b BRAO darf die
Werbung zwar nicht auf Erteilung von Aufträgen im Einzelfall gerichtet sein. Grundsätzlich erlaubt ist dagegen allerdings die Werbung um einzelne
Mandanten, die darauf gericht ist, die Umworbenen dafür zu gewinnen, die Leistungen des Anwalts in Anspruch zu nehmen.
3. Allein der Umstand, dass es sich bei einer AdWords-Werbung um eine im Internet für jedermann abrufbare Werbung handelt, führt
noch nicht dazu, dass dies im Hinblick auf das gewählte Werbemedium als unsachlich qualifiziert werden könnte. Denn die Beurteilung, welche
Werbeform als sachlich oder übertrieben bewertet werden kann, richtet sich nicht danach, ob es bisher üblich war, sich eines
bestimmten Mediums zu bedienen oder nicht.
4. Eine AdWords-Werbung für Rechtsanwälte ist jedenfalls dann unzulässig, wenn sie gegenüber einer "passiven" Internetpräsentation
die Besonderheit aufweist, dass sich der Werbende durch die "gekaufte" Platzierung an die erste Stelle der Trefferliste ins "Blickfeld"
derjenigen Internetnutzer bringt, die sich zwar selber aktiv informieren wollen, deren Informationsinteresse jedoch nicht auf
Rechtsanwaltsdienstleistungen gerichtet ist, und neben diesem Umstand die jeweilige AdWords-Werbung den Internetnutzer
zunächst darüber im Unklaren lässt, dass es sich bei der Anzeige um eine Werbung von Rechtsanwälten handelt.
MIR 2006, Dok. 224
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 16.11.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/442
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
BGH, Urteil vom 29.07.2021 - I ZR 139/20, MIR 2021, Dok. 067
Mobile Payment - Das Erlaubniserfordernis nach § 10 Abs. 1, Satz 1 ZAG für die Erbringung von Zahlungsdienstleistungen stellt eine Marktverhaltensnorm dar
OLG Köln, Urteil vom 23.12.2022 - 6 U 87/22, MIR 2023, Dok. 014
Arzneimittelbestelldaten II - Die Verarbeitung von Arzneimittel-Bestelldaten ohne ausdrückliche Einwilligung gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. a DSGVO stellt einen Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung gemäß § 3a UWG dar
BGH, Urteil vom 27.03.2025 - I ZR 223/19, MIR 2025, Dok. 027
Anwaltsverträge und das für den Fernabsatz organisierte Vertriebs- und Dienstleistungssystem - Zum Verbraucherwiderruf bei einem ausschließlich über Fernkommunikationsmittel abgeschlossenen Anwaltsvertrag
BGH, Urteil vom 19.11.2020 - IX ZR 133/19, MIR 2020, Dok. 089
Recht auf Vergessenwerden - Kein schematischer Auslistungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO gegenüber einer juristischen Datenbank und Suchmaschine (dejure.org) wegen der Verknüpfung bei namensbezogenen Suchanfragen
OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.10.2023 - I-16 U 127/22, MIR 2023, Dok. 068