Rechtsprechung
LG Frankfurt a.M., Urteil vom 6.09.2006 - Az. 2-6 O 224/06
GNU General Public License (GPL) - Zur Anwendbarkeit der GPL auf das Rechtsverhältnis zwischen den Urhebern und den Nutzern einer freien Software.
BGB § 151, § 305 Abs. 2 Ziff. 2, § 307 Abs. 2 Ziff. 1; UrhG § 31, § 69c Ziff. 3 S. 2, § 97
Leitsätze:*1. Die Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts (hier: an Computerprogrammen) kann auch dann wirksam erfolgen, wenn
Dritten gemäß der GNU General Public License (GPL) Nutzungsrechte eingeräumt wurden. Denn durch die GPL werden lediglich
einfache Nutzungrechte eingeräumt. Wie sich aus § 33 UrhG ergibt, kann ein ausschließliches Nutzungsrecht um bereits
zuvor eingeräumte einfache Nutzungsrechte beschränkt eingeräumt werden. Umgekehrt ist es den Urhebern möglich auch nach
Einräumung des ausschließlichen Nutzungsrechts Dritten einfache Nutzungsrechte nach der GPL einzuräumen.
2. Die GPL ist auf das Rechtsverhältnis zwischen den Urhebern und den Nutzern einer freien Software anwendbar.
Im Fall der freien Software ist anzunehmen, dass der Rechteinhaber durch die Unterstellung des Programms unter die
GPL ein Angebot an einen bestimmbaren Personenkreis abgibt, das von den Nutzern durch Vornahme der zustimmungsbedürftigen
Handlung angenommen wurde; insoweit kann man von einem Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung beim Anbietenden
(§ 151 BGB) ausgehen.
3. Da die Lizenzbedingungen der GPL ohne weiteres im Internet abrufbar sind, bestehen keine Bedenken, dass
diese in das Vertragsverhältnis zwischen den Urhebern und den jeweiligen Nutzern freier Software einbezogen werden (§ 305 Abs. 2 Ziff. 2 BGB).
Die Lizenzbedingungen der GPL sind damit auch als allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen, die einer Prüfung nach §§ 305 ff BGB
unterfallen.
4. Die Regelung in Ziff. 4 der GPL, wonach ein zunächst gewährtes Nutzungsrecht automatisch an den Urheber zurückfällt, wenn der
Nutzer gegen die in Ziff. 2 der GPL niedergelegten Verhaltenspflichten (Hinweispflichten, Copyright ect.) verstößt, benachteiligt
den anderen Teil nicht unangemessen gemäß § 307 Abs. 2 Ziff. 1 BGB. Insbesondere stellt eine derartige Regelung keine Umgehung des § 31
UrhG dar.
5. Eine Regelung ist dann als Umgehung des § 31 UrhG anzusehen, wenn sie die Verkehrsfähigkeit der Rechte erheblich beeinträchtigt. Die
GPL sieht jedoch lediglich vor, dass derjenige, der sich nicht entsprechend den Bedingungen der GPL verhält, (selbst) das Nutzungsrecht
verliert. Ziff. 4 S. 2 der GPL regelt ausdrücklich, dass die Lizenzen der Personen, die Kopien oder Rechte von jemanden erworben haben,
dessen Nutzungsrecht nach Ziff. 4 S. 1 GPL entfallen ist, nicht beendet werden, solange diese wiederum die GPL anerkennen und befolgen.
6. Erschöpfung betrifft nur das Verbreitungsrecht an dem Werkexemplar, auf das die - im Rahmen der GPL lizensierte - Software beim
Downloadvorgang kopiert wird. Hinsichtlich des Vervielfältigungsrechts tritt keine Erschöpfung ein, so dass ein Dritter nicht gemäß
§ 69c Ziff. 3 S. 2 UrhG berechtigt ist, durch Kopie der so heruntergeladenen Software auf die einzelenen Datenspeicher diese zu vervielfältigen.
MIR 2006, Dok. 213
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 06.11.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/431
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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