Kurz notiert // Persönlichkeitsrecht
Oberlandesgericht Frankfurt a.M.
Anwalts-Blog - Kein Unterlassungs- aber Nachtragsanspruch bei einem nicht mehr aktuellem Bericht auf der Homepage eines Rechtsanwalts
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 15.12.2022 - 16 U 255/21; Vorinstanz: LG Frankfurt a.M., Urteil vom 4.11.2021 - 2-03 O 296/21
MIR 2023, Dok. 007, Rz. 1
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Berichtet ein Rechtsanwalt über einen erstrittenen gerichtlichen Erfolg auf seiner Homepage und wird diese Entscheidung später rechtskräftig aufgehoben, muss er diesen Bericht nicht nachträglich löschen. Auf Verlangen des Betroffenen kann er jedoch verpflichtet sein, den Beitrag zu aktualisieren (sogenannter Nachtragsanspruch). Das OLG Frankfurt a.M. wies insoweit mit Entscheidung vom 15.12.2022 (16 U 255/21) den Unterlassungsanspruch einer Betroffenen gegen eine Rechtsanwalt zurück.
Zur Sache:
Die Klägerin betreibt eine deutschlandweit tätige Wirtschaftsauskunftei in Wiesbaden. Der Beklagte ist Rechtsanwalt. Er erstritt im November 2020 eine einstweilige Verfügung gegen die Klägerin und berichtete im Anschluss darüber in einem Anwalts-Blog auf der Kanzlei-Webseite unter der Überschrift "Einstweilige Verfügung gegen (die Klägerin) erlassen; Zwangsmittel beantragt". Die einstweilige Verfügung wurde nachfolgend auf Widerspruch der Klägerin hin rechtskräftig aufgehoben.
Die Klägerin wendet sich gegen Äußerungen in diesem unverändert nach Aufhebung der einstweiligen Verfügung verfügbarem Bericht. Das Landgericht hatte dem Unterlassungsbegehren der Klägerin stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte vor dem Oberlandesgericht Erfolg.
Entscheidung des Oberlandesgerichts: Kein Unterlassungsanspruch - Nachtrag nicht beansprucht
Die Klägerin habe keinen Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten, so das OLG Frankfurt a.M. Wahre Tatsachenbehauptungen - hier der Erlass der einstweiligen Verfügung - seien grundsätzlich hinzunehmen. Dies gelte auch, wenn sie für den Betroffenen nachteilig seien. Der Leser erkenne hier, dass der Beitrag nicht einen nach dessen Veröffentlichung aktualisierten Stand wiedergebe.
Durch die zwischenzeitlich erfolgte rechtskräftige Aufhebung der einstweiligen Verfügung werde ebenfalls kein Unterlassungsanspruch begründet. Zwar könne das fortdauernde Bereithalten ursprünglich rechtmäßig veröffentlichter Berichte im Einzelfall unzulässig sein. Wenn sich die beim Ursprungsbericht bekannte und zugrunde gelegte Sachlage nachträglich ändert und deshalb die Ursprungsmeldung als unwahr oder jedenfalls in einem anderen Licht erscheinen lässt, könnten Persönlichkeitsrechte verletzt werden, so das Gericht. Komme es zu einer nachträglichen Änderung, sei deshalb eine erneute Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen. Hier rechtfertigten es die Interessen der Klägerin indes nicht, dem Beklagten künftig die Berichterstattung über die aufgehobene Verfügung zu untersagen. Da der Beitrag ein kommerziell orientierter Blog sei, könnte sich der Beklagte zwar nicht - wie die Presse - darauf berufen, nicht verpflichtet zu sein, die Berichterstattung über ein einmal aufgegriffenes Thema bei neuen Entwicklungen fortzusetzen. Der geringere Verbreitungsgrad des Blogbeitrags führe allerdings auch zu einer geringeren Beeinträchtigung der Klägerin. Der Beklagten sei zudem grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse zuzusprechen, gegenwärtige und potentielle Kunden darüber zu informieren, dass ein Gericht zunächst zu Gunsten seines Mandanten entschieden habe. Eine Löschung der angegriffenen Äußerungen wäre mithin ein zu starker Eingriff in die Berufs- und Meinungsfreiheit des Beklagten. Ausreichend und verhältnismäßig wäre hier ein Nachtrag über den Fortgang des Verfahrens. Darauf hätte die Klägerin, die rüge, dass "nur die halbe Wahrheit" berichtet werde, auch einen Anspruch gehabt. Sie hätte aber einen solchen Nachtrag auch verlangen müssen. Daran fehle es hier allerdings.
Die Entscheidung ist im Zweitpunkt der hiesigen Veröffentlichung nicht rechtskräftig.
(tg) - Quelle: PM Nr. 5/2023 des OLG Frankfurt a.M. vom 19.01.2023
Zur Sache:
Die Klägerin betreibt eine deutschlandweit tätige Wirtschaftsauskunftei in Wiesbaden. Der Beklagte ist Rechtsanwalt. Er erstritt im November 2020 eine einstweilige Verfügung gegen die Klägerin und berichtete im Anschluss darüber in einem Anwalts-Blog auf der Kanzlei-Webseite unter der Überschrift "Einstweilige Verfügung gegen (die Klägerin) erlassen; Zwangsmittel beantragt". Die einstweilige Verfügung wurde nachfolgend auf Widerspruch der Klägerin hin rechtskräftig aufgehoben.
Die Klägerin wendet sich gegen Äußerungen in diesem unverändert nach Aufhebung der einstweiligen Verfügung verfügbarem Bericht. Das Landgericht hatte dem Unterlassungsbegehren der Klägerin stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte vor dem Oberlandesgericht Erfolg.
Entscheidung des Oberlandesgerichts: Kein Unterlassungsanspruch - Nachtrag nicht beansprucht
Die Klägerin habe keinen Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten, so das OLG Frankfurt a.M. Wahre Tatsachenbehauptungen - hier der Erlass der einstweiligen Verfügung - seien grundsätzlich hinzunehmen. Dies gelte auch, wenn sie für den Betroffenen nachteilig seien. Der Leser erkenne hier, dass der Beitrag nicht einen nach dessen Veröffentlichung aktualisierten Stand wiedergebe.
Durch die zwischenzeitlich erfolgte rechtskräftige Aufhebung der einstweiligen Verfügung werde ebenfalls kein Unterlassungsanspruch begründet. Zwar könne das fortdauernde Bereithalten ursprünglich rechtmäßig veröffentlichter Berichte im Einzelfall unzulässig sein. Wenn sich die beim Ursprungsbericht bekannte und zugrunde gelegte Sachlage nachträglich ändert und deshalb die Ursprungsmeldung als unwahr oder jedenfalls in einem anderen Licht erscheinen lässt, könnten Persönlichkeitsrechte verletzt werden, so das Gericht. Komme es zu einer nachträglichen Änderung, sei deshalb eine erneute Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen. Hier rechtfertigten es die Interessen der Klägerin indes nicht, dem Beklagten künftig die Berichterstattung über die aufgehobene Verfügung zu untersagen. Da der Beitrag ein kommerziell orientierter Blog sei, könnte sich der Beklagte zwar nicht - wie die Presse - darauf berufen, nicht verpflichtet zu sein, die Berichterstattung über ein einmal aufgegriffenes Thema bei neuen Entwicklungen fortzusetzen. Der geringere Verbreitungsgrad des Blogbeitrags führe allerdings auch zu einer geringeren Beeinträchtigung der Klägerin. Der Beklagten sei zudem grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse zuzusprechen, gegenwärtige und potentielle Kunden darüber zu informieren, dass ein Gericht zunächst zu Gunsten seines Mandanten entschieden habe. Eine Löschung der angegriffenen Äußerungen wäre mithin ein zu starker Eingriff in die Berufs- und Meinungsfreiheit des Beklagten. Ausreichend und verhältnismäßig wäre hier ein Nachtrag über den Fortgang des Verfahrens. Darauf hätte die Klägerin, die rüge, dass "nur die halbe Wahrheit" berichtet werde, auch einen Anspruch gehabt. Sie hätte aber einen solchen Nachtrag auch verlangen müssen. Daran fehle es hier allerdings.
Die Entscheidung ist im Zweitpunkt der hiesigen Veröffentlichung nicht rechtskräftig.
(tg) - Quelle: PM Nr. 5/2023 des OLG Frankfurt a.M. vom 19.01.2023
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 21.01.2023
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3251
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