Rechtsprechung
LG Köln, Urteil vom 6.09.2006 - Az. 28 O 178/06
Die Veröffentlichung von E-Mails eines Dritten auf einer Internetseite kann einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Gestalt der Geheimsphäre darstellen. Eine, einem abgegrenzten Empfängerkreis bestimmte E-Mail ist mit einem verschlossenen Brief vergleichbar, der allein durch das Absenden nicht aus der Geheimsphäre entlassen wird.
BGB §§ 823, 1004
Leitsätze:*1. Die Veröffentlichung von E-Mails eines Dritten auf einer Internetseite kann einen Eingriff in das allgemeine
Persönlichkeitsrecht in Gestalt der Geheimsphäre darstellen.
2. Die Geheimsphäre betrifft den Bereich menschlichen Lebens, der der Öffentlichkeit bei verständiger Würdigung nicht
preisgegeben werden soll. In diesen Bereich fallen auch schriftliche Aufzeichnungen sowie Tonbandaufzeichnungen, persönliche Briefe und auch E-Mails, die berufliche
oder geschäftliche Fragen betreffen, insbesondere persönliche Aufzeichnungen zu beruflichen oder geschäftlichen Erlebnissen oder
Planungen.
3. Allein mit dem Versenden einer E-Mail kann noch nicht davon gesprochen werden, dass der Versender den heimischen Bereich verlassen und
sich in einem allgemeine Späre begeben hat. Hiervon ist allenfalls dann auszugehen, wenn der Versender eine an einen nicht
abgegrenzten Personenkreis gerichtete E-Mail verfasst und versendet hat, nicht jedoch im Fall einer an eine bzw. zwei Personen
gerichtete und versandte E-Mail.
4. Eine, einem abgegrenzten Empfängerkreis bestimmte E-Mail ist mit einem verschlossenen Brief vergleichbar, der allein durch das
Absenden nicht aus der Geheimsphäre entlassen wird und bei dem der Absender auch nicht damit rechnen muss, dass Dritte von seinem
Inhalt Kenntnis nehmen.
5. Bei der Verletzung des allgemeinen Pesönlichkeitsrechts handelt es sich um einen "offenen Tatbestand", bei dem die Widerrechtlichkeit
nicht indiziert, sondern positiv festzustellen ist. Insoweit ist eine umfassende Güter- und Interessenabwägung erforderlich.
6. Hierbei rechtfertigen allein legitime Interessen (hier: die Aufklärung der Allgemeinheit über ein Firmenschicksal) eine Veröffentlichung
von E-Mails nicht, wenn es um die Veröffentlichung von vertraulichen geschäftlichen E-Mails geht, die zudem auf unlautere Weise
beschafft wurden. Denn dies wiegt weit schwerer als die bloße (sinngemäße) Mitteilung des Inhalts derselben.
MIR 2006, Dok. 185
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 14.10.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/403
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