Rechtsprechung // Zivilrecht
OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 15.10.2025 - 12 U 63/25
(Online-)Coaching-Verträge und Fernunterricht - Eine individuelle Kontrolle des Lernerfolges ist nicht vereinbart, wenn der Anbieter für Fragen zur Lösung von Problemen zur Verfügung steht
FernUSG § 1 Abs. 1 Nr. 2, BGB §§ 13, 14, 134, 138, 620, 627 Abs. 1
Leitsätze:*1. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Coaching-Vertrag ist ein Dienstleistungsvertrag. Es handelt sich nicht um Dienste höherer Art im Sinne des § 627 Abs. 1 BGB, da es an einem besonderen Vertrauensverhältnis fehlt.
2. Ein Fernunterrichtsvertrag liegt nur vor, wenn zwischen den Parteien eine individuelle Kontrolle des Lernerfolges durch den Lehrenden vereinbart ist. Davon ist nicht schon dann auszugehen, wenn der Anbieter der Coaching-Leistungen für Fragen zur Lösung von Problemen zur Verfügung steht.
3. Das Tatbestandsmerkmal der individuellen Kontrolle des Lernerfolges ist weit auszulegen und bereits dann erfüllt, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch hat, zum Beispiel durch mündliche Fragen zum erlangten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolges durch den Lehrenden zu erhalten (mit Verweis auf: BGH, Urteil vom 15.10.2009 – III ZR 310/08 - hier im Ergebnis verneint).
4. Für die Frage, ob ein Existenzgründer als Verbraucher zu betrachten ist, kommt es nicht auf das Vorhandensein geschäftlicher Erfahrung an, sondern auf die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Verhaltens. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Coaching-Vertrag beinhaltet Hilfestellung zur Ausübung der geplanten unternehmerischen Tätigkeit und keine Informationen darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Existenzgründung zu empfehlen ist. Er ist damit objektiv dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen.
Anmerkung: #Coaching & die Sache mit dem Lernerfolg - Man wird ja wohl noch fragen dürfen!?
Zu dieser Thematik vgl. auch eine jüngst veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 02.10.2025 (III ZR 173/24, MIR 2025, Dok. 075 - E-Commerce Master Club) mit welcher der BGH seine Auslegung von § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG weiter bestätigt und in der dortigen Konstellation konkretisiert.
Es sei - so der BGH dort - etwa nicht erforderlich, dass vom Lehrenden (Kontroll-)Fragen gestellt werden, die vom Teilnehmer zu beantworten sind. Vielmehr genüge es, dass dem Teilnehmer ein auf das eigene Verständnis des erlernten Stoffs bezogenes Fragerecht vertraglich eingeräumt werde, wodurch der Teilnehmer eine persönliche Lernkontrolle herbeiführen und überprüfen kann, ob er die vermittelten Inhalte zutreffend erfasst hat und richtig anwenden kann (mit Verweis auf: BGH, Urteil vom 12.06.2025 - III ZR 109/24, MIR 2025, Dok. 051).
Abseits der Notwendigkeit eines „vertraglichen Anspruchs“ auf eine solche Lernerfolgskontrolle, ist hierin eine klare, trennscharfe Bestimmung (auch noch) nicht zu erkennen und mit Blick auf den hiesigen Hinweisbeschluss des OLG Hamm, zeigen sich (vermeintliche?!) Widersprüche bei der Bestimmung der Reichweite von § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG.
Gleichwohl nimmt das OLG Hamm auch die hier insoweit grundlegende (und jüngst auch nicht überholte oder revidierte) Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2009 in Bezug; bekannt war sicher BGH, Urteil vom 12.06.2025 - III ZR 109/24 (MIR 2025, Dok. 051). Die Folgeentscheidung vom 02.10.2025 (a.a.O.) mag dem OLG Hamm noch nicht vorgelegen haben, bringt sie hier aber auch nur granular Neues.
Jedenfalls: Erforderlich bleibt hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Lernerfolgskontrolle (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG) die Bewertung und Einordnung des jeweiligen Einzelfalls mit Blick auf die vertragliche Gestaltung.
Denn: Der BGH hat nämlich u.a. auch einbezogen, dass die Beklagte dem Teilnehmer in dem dortigen Vertrag zugesagt hatte, „solange gecoacht zu werden, bis er einen bestimmten Nettogewinn erzielt, sofern er alle beschriebenen Schritte und die von den Coaches gegebenen "Tipps und Verbesserungsvorschläge" zu "100%" umsetzt“. Ein Teilnehmer müsse auch dies dahin verstehen, dass er (von dem Anbieter) befähigt werden soll, die in dem Coaching (hier insbesondere in den - asynchronen - Video-Modulen) beschriebenen Schritte zu erfassen und anzuwenden. Dies schließe ein, durch Nachfragen ein eventuelles Fehlverständnis aufzudecken und mit Hilfe der ihm erteilten Tipps und Verbesserungsvorschläge gegebenenfalls zu korrigieren. Auch unter diesem Aspekt schulde die Beklagte in der Gesamtschau eine individuelle Anleitung, die dem Teilnehmer eine Lernkontrolle ermöglichen sollte, so der BGH (vgl. BGH, III ZR 173/24, MIR 2025, Dok. 075 - E-Commerce Master Club, Rz. 19). Eine einfache, wie auch immer geartetet "Frageoption" genügt dem wohl nicht.
RA Thomas Ch. Gramespacher, Bonn
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 28.10.2025
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3512
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