Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.09.2025 - 14 U 72/25
Bestellungen über EUR 2.000,00 sind bei uns nicht meldepflichtig! - Zur Ermittlung des Sinngehalts einer als irreführend beanstandeten Werbeaussage und deren wettbewerblicher Relevanz
UWG §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1; GeldwäscheG § 4, 43
Leitsätze:*1. Bei der Ermittlung des Sinngehalts einer wettbewerbsrechtlich beanstandeten Werbeaussage ist nicht allein die beanstandete Werbeaussage isoliert zu betrachten; vielmehr ist es geboten, auch die weiteren Aussagen innerhalb derselben Werbung zur Ermittlung des Aussagegehalts der beanstandeten Äußerung heranzuziehen und den Gesamteindruck der Werbeaussage, den sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft, zu beurteilen.
2. Werden rechtliche Vorteile des Online-Handels mit Edelmetallen gegenüber dem Handel in einem Ladengeschäft im Falle der Barzahlung bei Geschäften über mindestens EUR 2.000,00 behauptet, die es tatsächlich nicht gibt, handelt es sich um eine irreführende geschäftliche Handlung im Sinne des § 5 UWG.
3. Bei der Beurteilung einer Werbung im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG ist erforderlich ist, dass die betroffene Angabe geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über marktrelevante Umstände hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen (BGH, Urteil vom 22.07.2021 - I ZR 123/20, MIR 2021, Dok. 075, Rn. 16). In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass bei objektiv falschen Angaben schon niedrigere Irreführungsquoten genügen, um die Verbotsfolge nach §§ 3, 5 UWG auszulösen. Denn es ist schwer vorstellbar, wie mit einer objektiv unzutreffenden Angabe gleichwohl ein schutzwürdiges Kommunikations- und Informationsinteresse verbunden sein soll.
4. Als geschäftliche Entscheidung ist nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG jede Entscheidung darüber anzusehen, ob, wie und unter welchen Bedingungen der Verbraucher ein Geschäft abschließen will, unabhängig davon, ob er sich entschließt, tätig zu werden. Erfasst ist nicht nur die Entscheidung über die Inanspruchnahme einer Dienstleistung, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende, aber vorgelagerte Entscheidungen wie etwa das Betreten des Geschäfts oder das Aufsuchen eines Verkaufsportals im Internet. Danach kann also auch eine Irreführung relevant sein, die lediglich einen "Anlockeffekt" bewirkt, selbst wenn es nicht zur endgültigen Marktentscheidung - etwa dem Kauf der Ware oder der Inanspruchnahme der Dienstleistung - kommt (OLG Nürnberg, Urteil vom 24.05.2022 - 3 U 4652/21).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 24.09.2025
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3499
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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