Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
BGH, Urteil vom 17.07.2025 - I ZR 243/24
Wegfall der Sachbefugnis - Zur Unzulässigkeit der Vollstreckung aus einem Unterlassungstitel wegen Entfall der Sachbefugnis durch eine Gesetzesänderung
UWG §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 15a Abs. 1; ZPO § 767
Leitsätze:*1. Zu den Einwendungen, die eine Vollstreckungsabwehrklage gegen einen in der Hauptsache titulierten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch begründen können, gehören auch Gesetzesänderungen. Eine nachträgliche Gesetzesänderung kann die Vollstreckungsabwehrklage insoweit jedenfalls dann begründen, wenn der in Rede stehende Vollstreckungstitel nicht lediglich auf eine einmalige Leistung - etwa auf Zahlung eines bestimmten Betrags - sondern auf wiederkehrende Leistungen gerichtet ist. Ein solcher Titel, namentlich ein Unterlassungstitel, wirkt in die Zukunft und kann in dieser Wirkung von einer späteren Gesetzesänderung betroffen sein. Die Vollstreckung aus einem Unterlassungstitel kann deshalb für unzulässig erklärt werden, wenn das dem Titel zugrundeliegende Verbot durch eine Gesetzesänderung weggefallen ist (vgl. BGH, Urteil vom 26.09.1996 - I ZR 265/95 - Altunterwerfung I; BGH, Urteil vom 26.09.1996 - I ZR 194/95 - Altunterwerfung II; BGH, Urteil vom 02.07.2009 - I ZR 146/07 - Mescher weis). Entsprechendes gilt, wenn durch die Änderung zwar nicht das Verbot, aber die Sachbefugnis eines bestimmten Gläubigers entfällt (BGH, Urteil vom 26.09.1996 - I ZR 265/95 - Altunterwerfung I; BGH, Urteil vom 26.09.1996 - I ZR 194/95 - Altunterwerfung II; BGH, Urteil vom 25.02.1999 - I ZR 4/97 - Herabgesetzte Schlußverkaufspreise; in Abgrenzung dazu für das formalisierte Zwangsvollstreckungsverfahren vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2023 - I ZB 42/23, MIR 2024, Dok. 022).
2.
a. Die Vollstreckung aus einem Unterlassungstitel kann im Verfahren nach § 767 ZPO für unzulässig erklärt werden, wenn durch eine Gesetzesänderung die Sachbefugnis eines bestimmten Gläubigers entfällt (Anschluss an BGH, Urteil vom 26. September 1996 - I ZR 265/95, BGHZ 133, 316 [juris Rn. 33] - Altunterwerfung I; Urteil vom 26. September 1996 - I ZR 194/95, BGHZ 133, 331 [juris Rn. 37] - Altunterwerfung II; Urteil vom 25. Februar 1999 - I ZR 4/97, GRUR 1999, 762 [juris Rn. 17] = WRP 1999, 845 - Herabgesetzte Schlußverkaufspreise).
b. Die Überleitungsvorschrift des § 15a Abs. 1 UWG regelt allein die zeitlich beschränkt fortbestehende Klagebefugnis und Anspruchsberechtigung von Wirtschaftsverbänden für die Verfolgung von Ansprüchen aus § 8 Abs. 1 UWG im Erkenntnisverfahren bis zur Beendigung bereits anhängiger Rechtsstreitigkeiten. Die Vorschrift trifft weder zum Zwangsvollstreckungsverfahren (Vergleiche dazu BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2023 - I ZB 42/23, GRUR 2024, 486 [juris Rn. 20] = WRP 2024, 490) noch zur Vollstreckungsabwehrklage eine Regelung.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 04.08.2025
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3489
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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