Kurz notiert // Presserecht
Oberlandesgericht Frankfurt a.M.
Geheimagent - Konkrete Anhörung des Betroffenen ist Voraussetzung einer zulässigen Verdachtsberichterstattung
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 20.3.2025 - 16 U 42/24; Vorinstanz: LG Frankfurt a.M., Urteil vom 23.2.2024 - 2-03 O 654/23
MIR 2025, Dok. 026, Rz. 1
1
Das OLG Frankfurt a.M. hat mit Urteil vom 20.03.2025 (16 U 42/24) entschieden, dass die Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung grundsätzlich voraussetzt, dass der Betroffene zu den Grundlagen und Zusammenhängen der beabsichtigten Berichterstattung angehört wird. Der Umstand, dass der Betroffene ohne Kenntnis des Inhalts eines erst geplanten Films erklärt hat, keine Stellungnahme abzugeben, lasse die Anhörungspflicht nicht entfallen. Das Oberlandesgericht verpflichtete insoweit die Beklagten, es zu unterlassen, den Verdacht einer Beteiligung des Klägers am Tod von Uwe Barschel zu erwecken.
Zur Sache
Der Kläger war als Geheimagent für deutsche und ausländische Sicherheitsbehörden tätig. Die Beklagten befassten sich im Rahmen einer vierteiligen "Doku-Reihe" mit dem Tod von Uwe Barschel in Genf. Ziel der Serie war es, Theorien und Indizien zu den Umständen und Hintergründen des Todes zu verfilmen. Der Kläger nimmt die Beklagten u.a. auf Unterlassung in Anspruch, durch bestimmte Passagen des Films den Verdacht eines Zusammenhangs zwischen dem Tod von Uwe Barschel und ihm zu erwecken.
Das Landgericht hatte seinem Antrag stattgegeben. Die hiergegen von den Beklagten eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg.
Entscheidung des Gerichts: Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung nicht eingehalten
Dem Kläger stehe ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der in der Berufung noch angegriffenen Aussagen zu. Die Beklagten erweckten mit den angegriffenen Passagen u.a. den Verdacht, dass der Kläger am Tod von Uwe Barschel beteiligt gewesen sei. Dieser Verdacht werde zwar nicht ausdrücklich erhoben, ergebe sich aber aus dem Gesamtkontext mehrerer für sich genommen wahrer Tatsachen. Der Zuschauer folgere aus der Zusammenstellung und Anordnung von Angaben von "Zeitzeugen" mit Zwischentexten eine eigene Äußerung der Beklagten.
Ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme erforderlich
Die Beklagten seien indes nicht berechtigt, diesen Verdacht aufzustellen und zu verbreiten. Die Voraussetzungen für eine zulässige Verdachtsberichterstattung seien nicht eingehalten worden. Die Beklagten hätten dem Kläger nicht ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Grundlagen und Zusammenhängen der hier streitigen Verdachtsäußerung eingeräumt. Der Kläger sei zu den näheren konkreten Inhalten des Berichts nicht angehört worden.
Anhörung nicht entbehrlich
Diese Anhörung sei hier auch nicht entbehrlich gewesen. Zwar habe der Kläger im Vorstadium des Filmes ein Interview mit dem Journalisten der Serie abgelehnt und bekundet, "jede Stellungnahme" abzulehnen. Daraus hätten die Beklagten haben nicht schließen dürfen, dass er auch auf eine Stellungnahme zu Inhalten verzichte, die er noch nicht kenne. Der Filmbeitrag sei zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht fertig konzipiert gewesen. Das Interview habe ersichtlich der Informations- und Materialsammlung für den beabsichtigten Bericht gedient.
Anhörungspflicht nicht entfallen
Der Umstand, dass der Kläger gegen einen Wikipedia-Artikel zu "Uwe Barschel" nicht vorgegangen sei, in dem seine Rolle beleuchtet werde, lasse die Anhörungspflicht ebenfalls nicht entfallen. Der Artikel weise vielmehr maßgebliche inhaltliche Unterschiede zum hiesigen Fernseh-Bericht auf. Auch der öffentlich zugängliche Gesamtbericht der Staatsanwaltschaft Lübeck über das Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen eines Tötungsdelikts an Uwe Barschel weiche maßgeblich von dem hiesigen Bericht ab. Soweit die Beklagten auf andere Berichte verwiesen mit inhaltsgleichen Äußerungen, habe der Kläger bekundet, diese nicht zu kennen.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.
(tg) - Quelle: PM Nr. 16/2025 des OLG Frankfurt a.M. vom 21.03.2025
Zur Sache
Der Kläger war als Geheimagent für deutsche und ausländische Sicherheitsbehörden tätig. Die Beklagten befassten sich im Rahmen einer vierteiligen "Doku-Reihe" mit dem Tod von Uwe Barschel in Genf. Ziel der Serie war es, Theorien und Indizien zu den Umständen und Hintergründen des Todes zu verfilmen. Der Kläger nimmt die Beklagten u.a. auf Unterlassung in Anspruch, durch bestimmte Passagen des Films den Verdacht eines Zusammenhangs zwischen dem Tod von Uwe Barschel und ihm zu erwecken.
Das Landgericht hatte seinem Antrag stattgegeben. Die hiergegen von den Beklagten eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg.
Entscheidung des Gerichts: Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung nicht eingehalten
Dem Kläger stehe ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der in der Berufung noch angegriffenen Aussagen zu. Die Beklagten erweckten mit den angegriffenen Passagen u.a. den Verdacht, dass der Kläger am Tod von Uwe Barschel beteiligt gewesen sei. Dieser Verdacht werde zwar nicht ausdrücklich erhoben, ergebe sich aber aus dem Gesamtkontext mehrerer für sich genommen wahrer Tatsachen. Der Zuschauer folgere aus der Zusammenstellung und Anordnung von Angaben von "Zeitzeugen" mit Zwischentexten eine eigene Äußerung der Beklagten.
Ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme erforderlich
Die Beklagten seien indes nicht berechtigt, diesen Verdacht aufzustellen und zu verbreiten. Die Voraussetzungen für eine zulässige Verdachtsberichterstattung seien nicht eingehalten worden. Die Beklagten hätten dem Kläger nicht ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Grundlagen und Zusammenhängen der hier streitigen Verdachtsäußerung eingeräumt. Der Kläger sei zu den näheren konkreten Inhalten des Berichts nicht angehört worden.
Anhörung nicht entbehrlich
Diese Anhörung sei hier auch nicht entbehrlich gewesen. Zwar habe der Kläger im Vorstadium des Filmes ein Interview mit dem Journalisten der Serie abgelehnt und bekundet, "jede Stellungnahme" abzulehnen. Daraus hätten die Beklagten haben nicht schließen dürfen, dass er auch auf eine Stellungnahme zu Inhalten verzichte, die er noch nicht kenne. Der Filmbeitrag sei zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht fertig konzipiert gewesen. Das Interview habe ersichtlich der Informations- und Materialsammlung für den beabsichtigten Bericht gedient.
Anhörungspflicht nicht entfallen
Der Umstand, dass der Kläger gegen einen Wikipedia-Artikel zu "Uwe Barschel" nicht vorgegangen sei, in dem seine Rolle beleuchtet werde, lasse die Anhörungspflicht ebenfalls nicht entfallen. Der Artikel weise vielmehr maßgebliche inhaltliche Unterschiede zum hiesigen Fernseh-Bericht auf. Auch der öffentlich zugängliche Gesamtbericht der Staatsanwaltschaft Lübeck über das Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen eines Tötungsdelikts an Uwe Barschel weiche maßgeblich von dem hiesigen Bericht ab. Soweit die Beklagten auf andere Berichte verwiesen mit inhaltsgleichen Äußerungen, habe der Kläger bekundet, diese nicht zu kennen.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.
(tg) - Quelle: PM Nr. 16/2025 des OLG Frankfurt a.M. vom 21.03.2025
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 02.04.2025
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3460
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