Rechtsprechung
KG Berlin, Urteil vom 30.06.2006 - Az. 5 U 127/05
Werbung im redaktionellen Kontext. Ein Link, der aus einem redaktionellen Zusammenhang auf eine Werbeseite führt, muss so gestaltet sein, dass dem Nutzer erkennbar ist, dass auf eine Werbeseite verwiesen wird. Zum Trennungsgrundsatz und zu den Anforderungen an die Kennzeichnung von Werbeanzeigen, § 4 Nr. 3 UWG, § 13 Abs. 1 Satz 1 MDStV.
Leitsätzes (tg):
1. Werbung im redaktionellen Kontext muss als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote (Print- wie Onlineangebote) eindeutig
getrennt sein, § 13 Abs. 1 Satz 1 MDStV.
2. Eine relevante Täuschung im Sinne des § 4 Nr. 3 UWG liegt stets vor, wenn dem Leser eine entgeltliche
Anzeige als schlicht redaktioneller Beitrag präsentiert wird. Unlauter ist hierbei insbesondere, wenn Anzeigen in Stil und Aufmachung von Reportagen
oder redaktionellen Beiträgen gebracht werden, ohne den Anzeigencharakter deutlich zu machen.
3. Die Kenntlichmachnung einer Veröffentlichnung als bezahlte Werbung muss aber nur dann erfolgen, wenn dies nicht schon durch Anordnung und Gestaltung
(z.B. durch Platzierung der Veröffentlichung im Anzeigenteil) eindeutig erkennbar ist. Genauo muss die Kennzeichnung nicht notwendig durch das Wort
"Anzeige" erfolgen.
4. Ein Link, der aus einem redaktionellen Zusammenhang auf eine Werbeseite führt, muss so gestaltet sein, dass dem Nutzer erkennbar ist, dass auf eine
Werbeseite verwiesen wird. Fehlt es daran, liegt ein Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz vor.
5. Eine Kennzeichung als Werbung muss so angebracht werden, dass der vollständige Text und die in einer Werbung
oder Anzeige inhaltlich zusammgehörenden Teile vollständig von der Kennzeichnung erfasst sind.
Wird durch ein optisches Element (hier: Link- bzw. Menüleiste in einem Onlineangebot) eine (optische) Zäsur zwischen zwei zusammengehörigen Teilen
(hier: Werbeabbildung und Text) hervorgerufen und ist nur einer der Teile eindeutig gekennzeichnet, fehlt es an einer solchen vollständigen Erfassung
der gesamten Werbung.
6. Die jahrelange und mit erheblichen Werbeaufwand betriebene Nutzung (hier 3 Jahre) eines Stammwortes (hier: "Volks") für diverse Werbeaktionen ist nicht
geeignet, eine Irreführungsgefahr hinreichend auszuräumen. Es kann insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass die jeweilig
von einer Werbeaktion angesprochenen Verbraucherkreise die Werbung in den (anderen) Medien hinreichend zur Kenntnis genommen haben. Darüber hinaus
bleibt eine Werbung - wenn kein aktuelles Interesse des Verbrauchers besteht - regelmäßig nicht lange im Gedächtnis.
7. Ein (klein gehaltener) Hinweis "Sonderveröffentlichung" ist nicht geeignet, eine im redaktionellen Stil bzw. Layout gehaltene Werbung zu
kennzeichnen (hier: Flyer im Format einer Zeitungsseite). Vielmehr kann der Eindruck einer "objektiven" Sonderberichterstattung noch verstärkt werden.
MIR 2006, Dok. 102
Die Entscheidung kann auf den Internetseiten des Kammergerichts Berlin als PDF heruntergeladen werden (www.kammergericht.de/entscheidungen/5_U_127-05.pdf)
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 22.07.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/317
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
OLG Köln, Urteil vom 26.01.2024 - 6 U 89/23, MIR 2024, Dok. 011
Entscheidungen zum "Recht auf Vergessenwerden" - Auslistungsbegehren gegen Google
Bundesgerichtshof, MIR 2020, Dok. 063
Allgemeinwissen Urheberrecht?! - Eine Existenzgründerin muss die Urheberrechtslage vor der Auftragserteilung für Kissenbezüge mit Bildern einer Boyband selbst klären
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 06.06.2023 - 4 W 13/23, MIR 2023, Dok. 052
Du sollst nicht verschweigen Deines Gegners Schriftsatz - Im einstweiligen Verfügungsverfahren hat der Antragsteller alles Zumutbare und Mögliche zu tun, damit das Gericht die Grundsätze der prozessualen Waffengleichheit einhalten kann (aut simile!)
OLG München, Urteil vom 05.08.2021 - 29 U 6406/20, MIR 2021, Dok. 079
Analoge Fristenkontrolle 2.0 - Bei einem elektronischen Fristenkalender muss eine Kontrolle durch den Ausdruck der eingegebenen Einzelvorgänge oder eines Fehlerprotokolls erfolgen
BGH, Urteil vom 28.02.2019 - III ZB 96/18, MIR 2019, Dok. 012