Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
OLG Köln, Urteil vom 30.10.2020 - 6 U 136/19
test.net - Zur Irreführung durch die Verwendung der Domain "test.net" für die Veröffentlichung algorithmusbasierter Produktvergleiche und die Bezeichnung dieser Vergleiche als "Tests"
UWG § 5 Abs. 1
Leitsätze:*1. Gemäß § 5 Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte; irreführend ist eine geschäftliche Handlung u.a. dann, wenn sie über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Vorteile, Beschaffenheit oder wesentliche Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben enthält. Warentests haben erfahrungsgemäß für den Absatz der beurteilten Unternehmen eine ganz erhebliche Bedeutung, so dass die irreführende Bezeichnung eines Vergleichs als Warentest in aller Regel die Relevanzschwelle überschreitet.
2. Die Verwendung der Domain "test.net" für die Veröffentlichung algorithmusbasierter Produktvergleiche und die Bezeichnung dieser Vergleiche als "Tests" ist in der konkreten Verletzungsform irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG.
3. Der Verkehr erwartet bei einem Warentest nicht nur die statistische Auswertung von Produktinformationen und Verbraucherbewertungen, sondern die unmittelbare Prüfung des Produktes selbst nach im Voraus festgelegten Kriterien zur Feststellung bestimmter Eigenschaften sowie die Bewertung aller in den Test einbezogenen Produkte nach einem absoluten Notensystem.
4. Bei einem Wartentest erwartet der Verbraucher (anders als bei einem Dienstleistungstest), dass die Ware im Rahmen einer objektiven Untersuchung real getestet und dabei von einem sachkundigen Prüfer "in die Hand genommen" wird. Ein Warentest ist aus der maßgeblichen Sicht der Verbraucher etwas grundlegend anderes als ein Produktbenchmarking.
Ob die Bewertungsergebnisse, die mit Hilfe eines Algorithmus erzielt werden, genauso aussagekräftig sein können, wie die Ergebnisse, die mit einem (Labor-)Warentest erzielt werden oder diese möglicherweise sogar noch übertreffen (können), war für das vorliegende Verfahren im Ergebnis ohne Belang und damit nicht (generell) Gegenstand der Entscheidung (die Beklagte hatte hier wohl u.a. widersprüchlich vorgetragen). Nichtzulassungsbeschwerde wurde eingelegt. Das Aktenzeichen des Beschwerdeverfahrens beim BGH lautet I ZR 223/20.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 04.02.2021
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3052
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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