Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
BGH, Urteil vom 06.06.2019 - I ZR 216/17
Identitätsdiebstahl - Die Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter Dienstleistungen ist "per se" wettbewerbswidrig
UWG § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 1, Anhang Nr. 29 zu § 3 Abs. 3
Leitsätze:*1. Angaben (hier: im Rahmen von Zahlungsaufforderungen) im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 UWG sind Geschäftshandlungen mit Informationsgehalt, die sich auf Tatsachen und zur Täuschung des Durchschnittsverbrauchers geeignete Meinungsäußerungen beziehen (vgl. BGH, Urteil vom 25.04.2019 - I ZR 93/17, MIR 2019, Dok. 019 - Prämiensparverträge). Gegenstand einer solchen Angabe kann die Erweckung des Eindrucks sein, eine Ware oder Dienstleistung sei vom Verbraucher bereits bestellt worden (vgl. BGH, Urteil vom 30.06.2011 - I ZR 157/10, MIR 2011, Dok. 099 - Branchenbuch Berg, mwN). Eine Angabe ist dabei unwahr im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 1, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Für die Beurteilung kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24.09.2013 - I ZR 89/12 - Matratzen Factory Outlet; BGH, Urteil vom 21.04.2016 - I ZR 151/15 - Ansprechpartner; BGH, Urteil vom 21.06.2018 - I ZR 157/16, MIR 2018, Dok. 048 - Vollsynthetisches Motorenöl).
2.
a) Die Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter Dienstleistungen ist als irreführende geschäftliche Handlung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 UWG anzusehen, wenn der angesprochene Verbraucher der Aufforderung die Behauptung entnimmt, er habe die Dienstleistung bestellt. Einer Unlauterkeit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG steht nicht entgegen, dass der Unternehmer bei der Zahlungsaufforderung in der ihm nicht vorwerfbaren irrtümlichen Annahme einer tatsächlich vorliegenden Bestellung gehandelt hat.
b) Die Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter, aber erbrachter Dienstleistungen fällt auch dann unter Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG, wenn der Unternehmer irrtümlich von einer Bestellung ausgeht und der Irrtum seine Ursache nicht im Verantwortungsbereich des Unternehmers hat (Aufgabe von BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 134/10, GRUR 2012, 82 Rn. 18 - Auftragsbestätigung).
3. Der Lauterkeitsverstoß gemäß Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ist nach dem Wortlaut der Bestimmung objektiv zu beurteilen. Die Vorschrift stellt auf die objektive Handlung des Unternehmers und die in ihr angelegte Drucksituation für den Verbraucher ab und verbietet diese Handlung per se (wird ausgeführt).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 05.12.2019
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2940
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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