Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
BGH, Urteil vom 23.06.2016 - I ZR 137/15
Fremdcoupon-Einlösung - Es stellt regelmäßig keine gezielte Mitbewerberbehinderung dar, wenn ein Unternehmen damit wirbt, Rabattgutscheine seiner Mitbewerber einzulösen
UWG § 4 Nr. 4 (§ 4 Nr. 10 aF)
Leitsätze:*1. Eine unlautere Behinderung von Mitbewerbern setzt eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist. Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen dann, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen, oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 22.01.2014 - I ZR 164/12 - wetteronline.de; BGH, Urteil vom 12.03.2015 - I ZR 188/13 - Uhrenankauf im Internet).
2. Das Eindringen in einen fremden Kundenkreis und das Ausspannen sowie Abfangen von Kunden gehören grundsätzlich zum Wesen des Wettbewerbs. Eine unlautere Behinderung des Mitbewerbers liegt deshalb erst vor, wenn auf Kunden, die bereits dem Wettbewerber zuzurechnen sind, in unangemessener Weise eingewirkt wird, um sie als eigene Kunden zu gewinnen oder zu erhalten. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich der Abfangende gewissermaßen zwischen den Mitbewerber und dessen Kunden stellt, um diesem eine Änderung seines Entschlusses aufzudrängen, die Waren oder Dienstleistungen des Mitbewerbers in Anspruch zu nehmen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 24.11.2011 - I ZR 154/10 - Mietwagenwerbung; BGH, Urteil vom 22.01.2014 - I ZR 164/12 - wetteronline.de; BGH, Urteil vom 21.01.2016 - I ZR 274/14 - Tarifwechsel).
3.
a) Es stellt regelmäßig keine gezielte Mitbewerberbehinderung dar, wenn ein Unternehmen damit wirbt, Rabattgutscheine seiner Mitbewerber einzulösen.
b) Es ist grundsätzlich nicht unlauter, wenn Werbemaßnahmen eines Unternehmens mittelbar dazu führen, dass die Werbung von Mitbewerbern nicht oder nicht mehr so wie zuvor zur Geltung kommt, mag dies dem Werbenden auch bewusst sein.
c) Verfehlt eine Werbung ihre Wirkung erst aufgrund einer bewussten Entscheidung der Verbraucher, so liegt im Regelfall keine unlautere Beeinträchtigung der Werbung des Mitbewerbers vor.
4. Bei der Fallgruppe des unlauteren Ausnutzens einer fremden Einrichtigung im Rahmen von § 4 Nr. 4 UWG liegt die gezielte Behinderung eines Mitbewerbers darin, dass die von oder für einen Mitbewerber geschaffenen Einrichtungen für eigene Zwecke ausgenutzt werden, ohne dafür ein Entgelt zu entrichten (vgl. BGH, Urteil vom 07.10.2009 - I ZR 150/07 - Rufumleitung; BGH, Urteil vom 22.01.2014 - I ZR 164/12 - wetteronline.de).
5. Es ist nicht ohne weiteres unlauter, wenn ein Unternehmen aufgrund von Anstrengungen seiner Wettbewerber Kostenvorteile erzielt. Ein "Anhängen" an die Werbung von Mitbewerbern gehört insoweit zum Wesen des Wettbewerbs. Ein Unternehmen hat keinen Anspruch darauf, seine Werbung ungestört von der wettbewerblichen Reaktion der Mitbewerber durchführen zu können. Abweichendes gilt nur bei Vorliegen besonderer, unlauterkeitsbegründender Umstände.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 06.01.2017
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2795
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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